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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
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alle Clans zusammengerufen, die es noch gibt«, sagte Kars Adon und hob sein Kinn. Ich hörte Fanfaren, die nur in der Einbildung existierten. »In diesem Tal möchte ich mein Königreich errichten.« Das konnte ich ihm nicht verdenken. Das Tal ist wunderschön, und niemand sonst lebt dort.
    Als wir zwischen die Zelte kamen, sah ich als Erstes eine Gruppe dunkelhaariger Jungen, die drei Heidenmädchen in engen Kleidern schöne Augen machten. Sie gingen sehr höflich vor – boten den Mädchen an, für sie die Wasserkrüge zu tragen und so weiter –, doch ich war ein wenig entsetzt. Nachdem wir ein Zelt umgangen hatten, sahen wir das Gleiche mit vertauschten Rollen: Einige recht frühreife Mädchen in Wollmänteln beschwatzen zwei Heidenjungen, sie doch einmal auf ihren Pferden reiten zu lassen.
    Kars Adon bemerkte meinen Blick. »Deine Landsleute strömen seit Tagen hierher«, sagte er. »Sie fliehen vor Kankredin. Ich habe Friedensverträge geschlossen, wie ich es angekündigt hatte. Meinst du, Hern wäre zufrieden?«
    Ich wusste nicht, was Hern davon gehalten hätte. Friedensverträge klingen zwar immer gut, doch das daraus resultierende Ergebnis bestand hier aus einem sehr eigenartigen Lager, in dem sehr viel gekichert wurde. Höfliche, stille Heiden blickten uns an, scheinbar ohne uns anzusehen. Meine Landsleute scharten sich zusammen und starrten. Einigen meiner Landsleute schien auch nicht klar zu sein, dass ein Vertrag geschlossen worden war. Kars Adon wurde von einigen angezischt, und einige saßen teilnahmslos herum, starrten vor sich hin und unternahmen keine Anstrengung, irgendetwas für sich zu tun. Die meisten von ihnen, erklärte Kars Adon, waren Kankredin zu nahe gekommen. »Ich glaube, er hat ihre Seelen verletzt«, sagte er. »Sie glauben, sie wären unsere Gefangenen. Wir müssen sie füttern.« Er seufzte. »Oft wünschte ich, dein Bruder wäre hier, um ihnen zuzureden.«
    Wir gingen zu Kars Adons Zelt – es war weiß und groß genug, um ein Schauspiel darin aufzuführen. Seine bunte Flagge flatterte stolz darüber. Im Zelt aßen wir zu Abend. Die Speisen waren einfach, nicht zu vergleichen mit den erlesenen Leckereien, die sich unser König ausbittet, und das Mahl selbst war verwirrend. Die Heiden lassen sich das ganze Essen auf einmal auftischen, aber sie nehmen sich nichts selbst. Alles wird ihnen von kleinen Jungen gereicht. Unter den bedienenden Jungen entdeckte ich Ked, aber er hielt sich am anderen Ende des Tisches. Er fürchtete sich noch immer vor mir.
    Während ich aß, beherrschte mich eine ganz eigenartige Mischung von Gefühlen. Ich war eingeschüchtert und fühlte mich doch auf eine Weise zu Hause, wie ich es in der Nähe unseres Königs nie empfunden habe. Als ich das bemerkte, hielt ich mich schon für eine Verräterin, doch dann sagte ich mir, dass es im Lager von meinen Landsleuten wimmele und mein eigner Großvater mich an die Stelle geführt hatte, wo ich Kars Adon begegnete – so als habe Großvater unser Treffen beabsichtigt. Kars Adon weihte mich die ganze Zeit über in seine Pläne ein, und das war eigentlich das Seltsamste von allem. »Meinst du nicht auch?«, fragte er immer wieder. »Meinst du, Hern wäre damit zufrieden?« Es ging nur um Hern. Den Gedanken, dass Hern solch einen großen Eindruck auf Kars Adon gemacht hat wie Kars Adon auf Hern, finde ich eigenartig. Sie haben gar nicht viel miteinander gesprochen. Doch nachdem sie sich trennten, hatten sie beide sehr viel über den anderen nachgedacht und, wie es den Anschein hatte, versucht, dem Bild nachzueifern, dass sie voneinander hatten. Kars Adon schien Hern Eigenschaften zuzubilligen, die Hern niemals besessen hat. Doch woher soll ich es wissen? Hern hat Kars Adon gewiss auf gleiche Weise in den Himmel gehoben, und hier sah ich, wie Kars Adon sein Bestes gab, um Herns Wunschbild zu entsprechen, von dem er nichts ahnen konnte.
    Nach dem Essen sagte Kars Adon zu seinen Edlen, er müsse mich allein sprechen, und schickte sie in die Ecke des Zeltes. »Wäre dein König zu einem Waffenstillstand bereit?«, fragte er. »Wenn ich ihm einen Friedensvertrag anböte, würde er einwilligen, Kankredin zusammen mit uns entgegenzutreten?«
    Angesichts der Lage, in der sich unser König befand begleitet von fünfzig Mann, während Kankredin den Strom hinaufkam –, schien es mir nicht, als bliebe ihm eine Wahl. »Wenn du ihm jemanden schickst, dem er vertrauen kann und zuhören würde, dann schon, denke ich.« Ich

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