Jones, Diana Wynne
hingen an meiner Nase und in meinen Augenwinkeln, doch ich verbiss mir das Weinen. »Mein Großvater«, sagte ich, »hat mich vor die Tür gesetzt. Das nenne ich undankbar.« Dann aber blickte ich auf meine Hände, denn ich dachte, ich hätte den Wollmantel wieder dabei. Doch das stimmte nicht. Meine Finger umklammerten eine Rolle mit einem dunklen, schwach glitzernden Garn. Und ich spürte deutlich, dass in meinem Hemd das schwere Gewicht des Einen fehlte.
Ich fühlte mich erbärmlich. Ich konnte nun nachempfinden, wie es Robin an dem Morgen ging, an dem wir nach dem Aufwachen feststellen mussten, dass Tanamil uns verlassen hatte. Ich wusste, wie Hern sich gefühlt hatte, als er sein Versagen begriff. Keiner von ihnen hatte jedoch Gull ein zweites Mal verloren. Mit meiner merkwürdigen Garnspule stapfte ich durch das klatschnasse, dampfende Gras, und wenn ich bemerkt hätte, dass meine Kleider trocken waren, wo sie hätten nass sein müssen, so hätte es mich nicht gekümmert. Auch für den kühlen Wind, der mir ins Gesicht blies, empfand ich nur wenig Dankbarkeit. Ich sagte mir, dass ich mir nur das tosende Wasser ansehen wollte, das mir in den Ohren brauste.
Ich glaubte zuerst, dass ich mich dort hinunterwerfen könnte, aber ich musste stehen bleiben, bevor ich an den Rand des Rasens gelangte. Der Hang war zu hoch und zu steil. Das grüne Land und die purpurnen Hügel breiteten sich wie eine ganze weite Welt unter mir aus und schienen sich in Übelkeit erregender Weise um mich zu drehen. Fast genau zu meinen Füßen entsprang unser Strom. In einem weißen Katarakt ergoss er sich von meiner grasigen Felsenplatte auf eine Stelle tief, tief unter mir. Beim Fallen brüllte er, und alles darunter verlor sich in treibendem Nebel und kleinen, schwebenden Regenbögen. Weit in der Ferne und noch tiefer glaubte ich den See zu entdecken, an dem wir Schutz vor dem Wolkenbruch gesucht hatten. Als helle Raute lag er in der wirbelnden steilen Landschaft. Ich musste die Augen abwenden und mit ihnen meinen langen schwarzen Schatten fixieren, der sich in der Nähe über das Gras zog.
»Was habe ich nur falsch gemacht?«, sann ich. Ich war so stolz und selbstsicher gewesen, seit mir in der alten Mühle die Einsicht kam, und nun musste ich begreifen, dass ich verhindert hatte, wirklich zu verstehen, was vor sich ging, weil ich zu stolz auf meine eigene Klugheit gewesen war. »Aber was ist mit Kankredin?«, fragte ich. Ich versuchte, auf das Land unter mir hinauszublicken und nach einem Anzeichen für Kankredin Ausschau zu halten, doch verschwamm mir alles vor den Augen. Ich sah nur Schwindel erregendes Grün und Blau.
Ich blickte wieder meinen Schatten auf dem Rasen an. Daneben lag ein weiterer Schatten; er war länger und hatte eine große Nase. Ich konnte mich nicht mehr rühren.
»Großvater?«, fragte ich.
Seine Stimme ist wie das Geräusch hinter dem Tosen des Wasserfalls. »Danke, Enkelin«, sagte er. »Du warst mir eine große Hilfe. Du hast meine Kehle aus dem Griff von Kankredins Klauen befreit.«
»Was habe ich dann unterlassen?«, fragte ich.
Erst nach einer Weile antwortete er. Er klang traurig. »Niemand hat dich gebeten, irgendetwas zu tun – abgesehen von dem, was deine Familie immer getan hat. Und ich bin schließlich nicht gerade sehr nett zu deiner Mutter gewesen.«
»Das weiß ich. Aber Closti – mein Vater – war Cenblith überhaupt nicht ähnlich, weißt du. Du hättest ihr vergeben können.«
Er schwieg erneut, dann erwiderte er traurig und zögernd: »Ich bin sehr durchtrieben, Enkelin. Du … du wärst heute nicht hier, hätte ich ihr vergeben.«
Mir kam der Gedanke, dass mein Großvater womöglich nicht nur traurig und gebunden und von Scham und Einsamkeit beladen sein mochte, sondern vielleicht sogar unsicher war, wie er mit einem gewöhnlichen Menschen wie mir reden sollte. Bis zu diesem Augenblick hätte ich nie gedacht, dass man ihn vielleicht lieb haben könnte. Ich wollte mich zu ihm umdrehen und ihn ansehen, doch das wagte ich nicht. Ich blickte auf seinen Schatten und sagte: »Großvater, sag mir, was ich tun muss, um dich zu befreien. Das will ich gern tun. Es hat nichts mit Kankredin oder Mutter und nicht einmal mit Gull zu tun. Für dich möchte ich es tun.«
Erneut schwieg er eine Weile. »Dafür bin ich dir … dankbar«, sagte er. »Wenn es dir ernst ist, Tanaqui, dann solltest du vielleicht an das Ende deines ersten Mantels denken, wo du von Kankredin sprichst. Auf welche Art
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