Jones, Diana Wynne
und das Wasser über die Ufer trat und die Böschungen überschwemmte. Wren fand die Scheune überflutet vor. Unsere Katzen saßen im Dachgebälk und fauchten das Wasser an. Wrens Dörfler und Robin hatten sich auf den Hang zurückgezogen, und Wren führte sie wieder rund um den See zu den Wasserfällen, wo ich noch immer neben meinem Webstuhl stand und mich fragte, was ich tun sollte.
Robin hat sich nicht verändert, obwohl sie nun eine Königin und eine Witwe ist, allerdings trug sie ihr bestes Kleid. Als sie mich sah, brach sie in Tränen aus. Sie sagt, sie habe immer gewusst, dass ich nicht ertrunken sei, aber sie habe einfach nicht daran glauben können. Gemeinsam gingen wir, um den König ein letztes Mal anzusehen. Ihr hättet wohl nicht gedacht, dass Robin um unseren König weinen würde. Doch sie weinte.
»Du hast ihn nicht einmal leiden können!«, sagte ich.
»Ich weiß. Ich bin nicht gut zu ihm gewesen«, schluchzte Robin. »Niemand ist gut zu ihm gewesen. Er war nicht geschaffen für das, was ihm auferlegt wurde.«
Ich glaube, da hat Robin Recht. Trotzdem war ich froh, dass Tanamil nicht in der Nähe stand. Er wäre verletzt gewesen, hätte er sie gehört.
Tanamil hielt sich die ganze Zeit über in Kars Adons Lager auf. Ich bin froh, dass er dort weilte. Wenn Arin mit der Nachricht von der Hinterlist unseres Königs allein in das Lager gegangen wäre, hätte es dort weiteres Blutvergießen gegeben, und Hern wäre unweigerlich umgekommen. So aber kam Tan Adon, wie sie ihn nennen, in seiner Herrlichkeit zu den Heiden und bezeugte, dass Kars Adon niemand anderen als Hern zu seinem Erben bestimmt hatte. Dennoch kamen die Heiden aus dem Lager mit finsteren Gesichtern und kampfbereiten Waffen den Berg herunter. Meine Landsleute, denen Kars Adon Unterkunft geboten hatte, begleiteten sie. Auffällig war allerdings, dass sie unter ihresgleichen blieben und jene, die zum Kämpfen zu schwach waren, in die Mitte nahmen.
Jay ist übrigens doch nicht tot. Während Robin und ich zusahen, wie die Leute am Wasserfall herabstiegen, legten Hern und Onkel Falk ihn zu den anderen Leichen. Und Jay setzte sich einfach auf und rieb sich den Kopf. »Ich hätte ahnen sollen, dass du besser wegkommst als ich, Alter«, sagte er zu Onkel Falk. Dann blickte er mich an. Fast trug er wieder seine alte, scherzhafte Miene. »Ich bin von einer eiligen Meute toter Menschen zurückgeschickt worden«, sagte er, »um dich zu schützen, Mädel. Stromabwärts sind ein paar Glasriesen am Werk. Es sieht ganz so aus, als wären sie bei Anbruch der Dunkelheit hier.«
Onkel Falk glaubte, dass Jay den Verstand verloren hätte. Ich hingegen wusste bestimmt, dass er seine Sinne beisammen hatte. »Er meint Kankredin«, sagte ich zu Hern.
»Das habe ich befürchtet«, entgegnete er. Er hob den Fuß und hackte mit der Ferse ins Gras. »Nun erhalte ich endlich die Gelegenheit, all das zu tun, was zu tun ich geschworen habe«, sagte er. »Und ich glaube nicht, dass ich es kann.«
Die Neuankömmlinge aus dem Lager trafen ein und sammelten sich am See. Unsere Landsleute gingen weiter und gesellten sich zu Wren und seinen Dörflern unweit des Ufers. Die Heiden aber stellten sich zwischen die Felsen und pflanzten dort ihre Flaggen auf.
»Wie sollen wir des Adons Willen erfüllen?«, rief einer der heidnischen Edlen Hern spöttisch zu.
Hern war sehr blass. Ich sah, wie er zitterte. Er stand zwischen den beiden Mengen, um sich nur die Leichen, ganz allein. Ich hatte erwartet, dass er dort klein wirken würde, und bin noch immer überrascht, dass es ganz anders war. Hern ist immer noch dünn, aber mittlerweile so groß wie Gull. Als Tanamil sich neben ihn stellte, sah ich, dass beide gleich groß waren.
»Zuerst seht hierher«, sagte Hern und wies auf die Toten. Alles war still. Wegen des Lärms, den die Fälle machten, mussten wir sehr genau hinhören. »Das«, sagte Hern, »sind die Leichen zweier Könige. Durch sinnlosen Hass fanden sie den Tod, nachdem beide fast alles verloren hatten, was sie besaßen. Nun kommt jemand den Strom herauf, der davon weiß und dem es sehr gut gefällt. Denn das erleichtert ihm, uns die Seelen auszusaugen und dem Land die Seele zu nehmen und uns zu seinen Sklaven zu machen. Er kommt in einer Wand aus Wasser. Und er ist fast hier.« Er wies auf den Strom jenseits des Sees.
Unsere Landsleute am Ufer neigten sich vom Wasser weg, alle in die gleiche Richtung, wie Gras im Wind. Die Heiden standen unerschütterlich, doch sie
Weitere Kostenlose Bücher