Jones, Diana Wynne
Alter sei er schon ein guter Musiker; und einige feine Herren kamen wie zufällig in Brids und Leninas Nähe und flüsterten ihnen charmante Komplimente zu. Auf diese Herren wurde Clennen stets sehr rasch aufmerksam, besonders auf die, von denen Brid angesprochen wurde. Die arme Brid sah in ihrem Kostüm älter aus, als sie war – sie war erst dreizehn –, und sie wusste überhaupt nicht, was sie mit den flüsternden Herren anfangen sollte.
»Nun, mein Vater hat es mir beigebracht«, erklärte Moril.
»Sie kommen mir eben in den Sinn wie, naja, wie Ideen«, erklärte Dagner.
»Lenina, bist du es?«, murmelte ein Herr am Vorderteil des Wagens.
»Ich bin es«, antwortete Lenina spröde.
»Ich habe nicht verstanden, was du gesagt hast«, sagte Brid eher verzweifelt zu einem anderen Herrn.
»Ich fahre nicht nach Hannart. Ich hatte eine kleine Meinungsverschiedenheit mit dem Grafen«, erzählte Clennen. Er drehte sich um und vertrieb mit einem bohrenden Blick sowohl den Herrn, den Brid angesprochen hatte, als auch den anderen, der Lenina ins Gespräch ziehen wollte. »Aber ich komme durch Wassersturz und fahre noch weiter«, erklärte er, indem er sich wieder seinen Freunden zuwandte.
Lenina hatte derweil den Hut mit den Einnahmen aufgehoben und das Geld gezählt. »Gut«, sagte sie. »Wir können im Gasthaus übernachten. Wie schön, endlich wieder ein Dach über dem Kopf zu haben.«
Moril und Brid freuten sich ebenfalls. Für sie bedeutete es den Gipfel allen Luxus, in einem Haus zu schlafen. Dort gab es Federbetten, ein sauberes Bad und Essen, das in einer Küche zubereitet worden war. Brid leckte sich die Lippen und lachte Moril vergnügt an. Moril lächelte auf seine sanfte, schläfrige Art zurück.
»Nein. Keine Zeit«, sagte Clennen, als er endlich gefragt werden konnte. »Wir müssen sofort weiter. Unterwegs werden wir einen Fahrgast mitnehmen.«
Lenina entgegnete nichts. Das war nicht ihre Art. Während Brid, Moril und sogar Dagner protestierten, nahm sie einfach die Zügel in die Hand und trieb Olob an.
2.
»Wo wartet denn dieser Fahrgast?«, wollte Brid wissen, als sie gute drei Meilen von Derent entfernt waren und ihr Unmut sich ein wenig gelegt hatte. Sie trug wieder ihre blau karierte Alltagskleidung und wirkte nun eher jünger als dreizehn.
»Noch ein paar Meilen. Ihr werdet schon sehen«, sagte Clennen zu Dagner, der die Zügel hielt.
»Will wohl nach Norden?«, fragte Dagner.
»Genau«, antwortete Clennen.
Moril trottete in seinen bevorzugten rostroten Alltagskleidern, in denen er Brid zufolge erheblich netter aussah als in seinem Kostüm, neben dem Wagen her und hoffte im Stillen, dass der Passagier umgänglich sein möge. Im letzten Jahr hatten sie eine Frau mitgenommen, die ihn aus Langweile fast in den Wahnsinn getrieben hätte. Sie kannte offenbar Hunderte kleiner Jungen, von denen jeder netter, klüger oder in anderer Hinsicht besser war als Moni, und um das zu belegen, wusste sie zu jeden von ihnen wenigstens zwei lange Geschichten zu erzählen. Auf dem Weg nach Norden nahmen sie meistens jemanden mit. Seit die Nordlande und der Süden vor langer Zeit ihre Zwistigkeiten begonnen hatten, gab es zwischen den Ländern nur wenig Verkehr. Wer kein Pferd besaß, musste sich an den Inhaber eines Freibriefs wenden und bitten, als zahlender Gast mitgenommen zu werden, denn zu laufen hieß die Gefahr eingehen, als Landstreicher aufgegriffen und eingesperrt zu werden.
Der Zwist reichte so weit in die Vergangenheit zurück, dass nur noch wenige Menschen die Ursachen kannten: Im Norden erzählte man sich eine Version der Geschichte, im Süden eine andere. Fest stand nur, dass hintereinander drei Könige Dalemarks verstorben waren, ohne einen Thronerben zu hinterlassen. Und fast jeder Graf im Lande besaß gewisse Anrechte auf die Krone. Selbst vor der Zeit, in welcher der letzte König im nordländischen Hannart regierte, hatte es Streit und Kriege gegeben; Dalemark drohte in zwei Hälften zu zerfallen. Als dann der Adon starb, der letzte König, waren keine Erben aufzufinden, und ein Bürgerkrieg entbrannte.
Seitdem herrschten in Dalemark die Grafen.
Jeder von ihnen gebot über eine eigene Grafschaft, und unter ihnen standen die Barone. Einen König wollte nun niemand mehr. Keril, der augenblickliche Graf von Hannart, hatte offen verkündet, er erhebe keinen Anspruch auf den Thron. Trotzdem spaltete die Uneinigkeit Nord und Süd tiefer denn je. Die Menschen im Norden beklagten, dass die
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