Jones, Diana Wynne
entweder vom Adon persönlich oder von Osfameron. Moni fand, dass die alten Lieder sich viel besser anhörten, wenn sie innerhalb der zugehörigen Geschichten vorgetragen wurden, und doch wünschte er insgeheim, die albernen Kerle hätten versucht, etwas natürlicher zu klingen. Ihre Taten jedoch gaben wunderbare Geschichten her. Moril lauschte begierig darauf, wie Lagan den Adon verwundete und die Wunde sich nicht schließen wollte, bis Manaliabrid aus dem Osten ihn heilte. Dann kam die Geschichte von der Liebe, die sowohl der Adon als auch Lagan für Manaliabrid empfanden. Der Adon floh mit ihr nach Süden. Lagan verfolgte sie, doch Osfameron half ihnen, indem er in den Gebirgspässen ein bestimmtes Lied sang, wodurch sich die Berge ineinander schoben und den Durchgang verschlossen. So musste Lagan zurückbleiben.
Hier senkte Clennen die sonore Stimme und sagte: »Osfamerons Lied werde ich euch nicht singen, aus Furcht, damit wieder die Berge zu bewegen. Aber wahrlich, seit dieser Zeit führt der einzige Gebirgsweg nach Norden über den Flinnpass.«
Eine Weile durchstreifte der Adon mit Manaliabrid den Süden und verdiente sein Brot als Barde, bis Lagan herausfand, wo sie waren. Da entführte er Kastri, den Sohn des Adon aus erster Ehe, und der Adon begab sich auf seine Verfolgung. Doch Lagan war der Zauberei kundig. Er machte Kastri unsichtbar und nahm selbst dessen Gestalt an. Und als der Adon arglos auf ihn zutrat, stieß Lagan ihm den Dolch ins Herz.
Nun folgte Manaliabrids Klage, die Moril singen sollte. Er nahm die Quidder auf und spähte in die warmen, blaugrauen Tiefen der Scheune auf das aufmerksame Publikum. Zu seinem Erstaunen entdeckte er dort Kialan. Ihr Reisebegleiter stand, klitschnass und sehr schmutzig, weit hinten, aber er hörte mit der gleichen Neugierde zu wie alle. Moril vermutete, dass er die Vorstellung doch dem Durchweichen vorgezogen hatte. Und er war zornig darüber, dass Kialan noch gekommen war. Sein Kopf war erfüllt von großen Dingen, Reisen, Kämpfen, Fluchten und dem magischen Norden der vergangenen Zeit. Kialan verkörperte nur die Alltagswelt. Moril kam es vor, als stünde er mit seinen Füßen in zwei verschiedenen Welten, die langsam auseinander trieben. Ein angenehmes Gefühl war das nicht. Er wandte die Augen von Kialan und konzentrierte sich aufs Quidderspiel.
Dann berichtete Clennen, wie Manaliabrid Osfameron um Hilfe bat. Osfameron sang, und sein Lied machte Kastri sichtbar. Dann nahm er seine Quidder und begab sich auf einem Weg, den nur er kannte, an die Grenzen des Dunklen Landes. Dort spielte er so, dass die Toten sich um ihn scharten, um zuzuhören. Als sie alle versammelt waren, sang Osfameron ein Lied, mit dem er die Seele des Adon zu sich rief. Und – an dieser Stelle überfiel Moni stets ein wohliges Schaudern – Clennen senkte erneut die Stimme und sagte: »Osfamerons Lied werde ich euch nicht singen aus Furcht, die Toten dadurch herbeizurufen.«
Osfameron führte die Seele des Adon zurück und vereinte sie wieder mit dessen Leib. Der Adon erhob sich, besiegte Lagan und herrschte als letzter König von Dalemark. Der letzte König war er, weil Manaliabrids Sohn, der ihm auf dem Thron folgen sollte, sich stattdessen entschloss, ins Heimatland seiner Mutter zu ziehen. »Und seit diesem Tag«, sagte Clennen, »hat es in Dalemark keinen König mehr gegeben. Es soll auch kein König mehr herrschen, bis die Söhne Manaliabrids zurückkehren.«
Moni stieß ein verzücktes Seufzen aus. Nach solch einer Geschichte war er kaum in Stimmung, ›Fidele Holander‹ mitzusingen, und er brachte das Lied nur mit Mühe über die Lippen. Nachdem die Vorstellung vorüber war, schlich er zur anderen Seite der Scheune, um dem üblichen Gedränge auszuweichen, und setzte sich in Gedanken versunken unter den Wagen, während Clennen seine Freunde begrüßte und Dagner wie üblich vergeblich zu erklären versuchte, wie er seine Lieder schuf.
Wenn so etwas nur heutzutage noch geschehen würde!, dachte Moril. Ihm kam es wie Vergeudung vor: Er, ein Nachfahre von Osfameron dem Barden, der den Adon gekannt hatte und die Toten herbeirufen konnte, verlebte einen faden, bedeutungslosen Tag nach dem anderen. Die Welt war insgesamt so gewöhnlich geworden. Man vergleiche nur den Adon, der solch ein glorreiches Leben führte, mit dem heutigen Grafen von Hannart, dem nichts Besseres einfiel, als eine Rebellion anzuzetteln, und der sich darum im Süden nicht mehr blicken lassen durfte. Man
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