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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 01 Die Spielleute von Dalemark
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»Lasst uns aufbrechen. Und«, fügte er hinzu, »heute Abend müssen wir üben.«
    Bald trabte Olob wieder an, und Moril ging nach hinten und holte, wenn auch seufzend, die alte Quidder. Als er schwor, niemals auf ihr zu spielen, hatte er ein bequemes Leben in Markind vor sich gesehen – wenn er da überhaupt wirklich über die Zukunft nachgedacht hatte. Ob Dagner nun auf der Flöte oder der Sopran-Quidder spielte oder Brid auf der Flöte oder dem Panhorn, jemand musste sie mit dem Tenorinstrument begleiten, und das konnte nur Moril sein. Schon immer hatte er eine ehrfürchtige Scheu vor dem alten Monstrum empfunden, aber noch nie eine größere als jetzt. Um sich an die Quidder zu gewöhnen, nahm er sie auf die Knie und polierte sie, wie Clennen es ihn gelehrt hatte. Brid spielte ihm den Ton auf dem Panhorn, und er stimmte danach die Quidder. Mit dem Ergebnis war er jedoch nicht zufrieden. Also stimmte er sie noch einmal, und dann erneut, doch so schnell er eine Saite auf den richtigen Ton gespannt hatte, verlor sie ihn wieder. Nicht mehr als das traurige Ächzen schlaffer Saiten konnte er der Quidder entlocken.
    »Ich glaube, die Wirbel halten nicht«, sagte er hilflos.
    »Lass es mich versuchen«, bot Brid sich an. Doch auch ihr gelang es nicht das Instrument zu stimmen.
    »Darf ich einen Blick darauf werfen?«, fragte Kialan. Er besah sich die hölzernen Stifte, mit denen die Saiten gespannt wurden, mit offensichtlichem Sachverstand, aber er fand keinen Fehler. Dagner, der von ihnen am meisten über Musikinstrumente wusste, klemmte sich die Zügel zwischen die Knie und versuchte eine halbe Stunde lang sein Bestes. Am Ende aber sah er sich gezwungen, sie Moril so verstimmt zurückzugeben, wie er sie erhalten hatte.
    »Das hat uns gerade noch gefehlt!«, rief Brid. »Vielleicht ist sie ja in Trauer. Wir sollten trauern, und seht uns doch an!«
    »Versuch ein Klagelied zu spielen«, schlug Kialan nachdenklich vor.
    »Warum?«, fragte Moril. »Außerdem mag ich die alten Lieder sowieso nicht.«
    »Irgendein Trauerlied«, sagte Dagner. »Am Grab hast du doch auf deiner Sopran-Quidder gespielt, oder?«
    Moril versuchte es. Er stimmte die ›Klage um den Grafen von Wassersturz‹ an und fiel mit der Quidder so leise wie möglich nach der ersten Zeile ein. Der Missklang war entsetzlich.
    Brid schüttelte sich. Dann aber nahm Dagner den Gesang auf, und nun schien es, als folge die Quidder seiner Führung. Die Töne entströmten ihr in dem Moment, in dem Dagner sie sang. Zu Morils Erstaunen und geheimem Entsetzen war die Quidder nach dem Ende der ersten Strophe gestimmt. Er sang den Kehrreim, und erst Brid, dann auch Kialan fielen ein:
    »Er bezwang sie alle wie im Schlaf,
Kanart der Graf, Kanart der Graf!
Messen konnt sich mit ihm keiner,
neben ihm schien jeder kleiner.«
    Und plötzlich spielte die Quidder so klar und rein, wie sie für Clennen geklungen hatte. Brid weinte wieder. Auch Moni glaubte die Tränen nicht zurück halten zu können. Aus vollem Hals sangen sie das ganze Lied, und so traurig es sie stimmte, sie fühlten sich danach ermutigt. Die eigenartigste Wirkung aber übte das Lied auf Olob aus. Er verfiel in einen langsamen, rhythmischen Schritt, ging ehrfurchtsvoll, als zöge er einen Leichenwagen.
    »Leg sie weg«, sagte Dagner, »sonst kommen wir nie nach Niedertal.«
    Moni verstaute das beunruhigende Instrument sorgfältig, und bald ging es wieder schneller voran. Wie schon zuvor verhinderte Dagner, dass Olob zur gewohnten Zeit oder an einer der üblichen Lagerstellen anhielt. Kurz vor Sonnenuntergang lenkte er den Wagen von der Straße auf ein einsames, hoch gelegenes Feld voller großer Steine, von wo sie in die meisten Richtungen sehr weit blicken konnten.
    »Aber wir haben keine Spur von Ganner gesehen!«, wandte Moril ein.
    »Na, das werden wir auch nicht, bis er uns einholt, oder?«, entgegnete Kialan.
    Sie vertilgten die Wurst und übten. Zu Monis Erleichterung klang die große Quidder nun tadellos. Dafür gab es andere Schwierigkeiten. Ohne Clennen und Lenina, stellten sie fest, konnten sie nicht einmal die Hälfte aller Lieder so singen, wie sie sie kannten. Deshalb mussten sie alles von neuem ausarbeiten, und hinzu kam, dass Dagner um keinen Preis an Clennens Stelle treten wollte. Er weigerte sich, mehr als ein Drittel der Gesangsdarbietungen zu bestreiten, und nur diesbezüglich vertrat er unnachgiebig seine Meinung. Ansonsten machte er nur Vorschläge und ließ sich gern von Brid oder

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