Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 04 Die Krone von Dalemark
Vom Netzwerk:
dich«, sagte Mitt. »Ich meine, du könntest hierbleiben und mit dem Wiederaufbau beginnen.«
    »Nur wenn du versprichst, aus dem Krieg zurückzukehren, um mich hinterher zu besuchen«, sagte sie. »Sonst komme ich dir nach.«
    »Also gut«, sagte Mitt. »Ich verspreche es. In zwei Jahren komme ich zu dir.« In dem eigenartig duftenden goldenen Nebel erschien es ganz und gar nicht abwegig, über solche Dinge zu sprechen.
    »Darauf nagle ich dich fest«, sagte Maewen und lachte.
    Sie gingen weiter und kamen bald auf einen weiten goldenen Hof, wo sie die anderen fanden. Von ihnen schien niemand zu bemerken, dass Maewen und Mitt einem Seitenweg gefolgt sein mussten. Ynen deutete auf eine Statue, die auf einem Postament stand.
    »Wir werfen hier die einzigen Schatten«, sagte er. »Seht nur.«
    Er hatte Recht. Sie alle besaßen lange, blauschwarze Schatten. Die Statue hätte einen gezackten Schatten auf die Treppe werfen müssen, doch sie tat es nicht. Moril stolperte auf den Stufen, weil sie deswegen so schwer zu erkennen waren. Kialan packte ihn beim Arm, und beide schleuderten ein Gewirr tintiger Schatten um sich. Kialan bewahrte Moril vor dem Sturz, aber er schlug dabei versehentlich die Quidder an. Das Instrument gab einen melodiösen Ton von sich. Der Klang schien den ganzen Platz zu erschüttern. Alles verschwamm. Einen Augenblick lang verblassten sogar ihre tintenschwarzen Schatten. Niemand wagte zu atmen. Sie standen still, bis der Laut verhallte und die vagen goldenen Gebäude zurückkehrten.
    Das hohe Gebäude am oberen Ende der Treppe, das sich oben im Nebel verlor, hatte eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem Tannoreth-Palast. Er gleicht ihm und unterscheidet sich doch sosehr davon, stellte Maewen fest. Während die anderen behutsam die Stufen erstiegen, war sie stehen geblieben und starrte das Bauwerk an. Es hatte fast keine Fenster, und sein Dach ruhte auf mächtigen Pfeilern, die wie Knospen geformt waren – lange, verquirlte Knospen wie an einer Magnolie. Dennoch zeigte das Gebäude die gleiche Form und flößte Maewen das gleiche Gefühl ein wie der Palast, den sie kannte. Sie erstieg die tückische Treppe mit vorsichtigen, leisen Schritten und gesellte sich zu den anderen, die in einem langen, aus goldenen Steinen bestehenden Tunnel warteten.
    Sie schlichen so vorsichtig voran, wie sie nur konnten, denn ihnen war entsetzlich bewusst, dass dieser goldene Palast nichts weiter darstellte als ein höchst vergängliches Trugbild. Die Luft im Tunnel war so trocken, dass Ynen und Mitt ein starker Hustenreiz plagte, beide es aber nicht wagten, solchen Lärm zu verursachen, und sich immerfort räusperten, so leise es ging. Bald kamen sie an eine Abzweigung.
    »In welche Richtung?«, wisperte Moril.
    »Folge deiner Quidder«, hauchte Kialan.
    Moril gelangte offenbar zu der Ansicht, sie sollten geradeaus weitergehen. Auf Zehenspitzen folgten ihm die anderen tief in das Innere des Palastes. Sie folgten nun einem Korridor, dessen goldene Steindecke nur einen Zoll über Mitts oder Kialans Scheitel verlief. Beide zogen den Kopf ein, während Moril sie unter einem schweren Türsturz hindurchführte; dann stiegen sie eine neblige Treppe hinunter in einen warmen, rechteckigen Raum. Das Gemach war nicht sehr groß. Auf beiden Seiten standen Bänke aus Stein, und am anderen Ende erhob sich gegenüber dem Eingang ein großer Steinsitz. Das Erste, was ihnen allen auffiel, war das eigenartige Loch unter dem Sitz; es sah als, als fehle etwas, das dorthin gehörte. Als Zweites bemerkten sie einen breiten goldenen Reif, der auf der Sitzfläche lag.
    Nach allem, was sie wussten, war dies die Krone von Dalemark. Unschlüssig warteten sie ab, ob nicht ein anderer vortrat und sie an sich nahm. Bevor jedoch einer von ihnen den Mut dazu fand, sprang von der Bank rechterhand ein junger Mann auf.
    »Na endlich!«, rief er. Er war anscheinend sehr froh, sie zu sehen. Freudig schritt er zum Steinsitz und nahm die Krone. »Ich dachte schon, das würde ich nie wieder tun!«, sagte er, drehte sich um und hob den Reif mit beiden Händen.
    Alle fünf blieben völlig reglos stehen. Der junge Mann war sehr groß. Er hatte runde Schultern, die breiter waren als bei Mitt oder Kialan, und er bewegte sich mit einer Schlaksigkeit, die alle, die ihn sahen, an Mitt denken ließ. Als er den Kopf drehte und sie von Moril bis Maewen nacheinander anblickte, ähnelte er im Gesicht Ynen. Er hatte die gleiche lange, spitze Nase wie er. Kaum wandte er

Weitere Kostenlose Bücher