Jones, Diana Wynne
ihr dann nicht?«
Alles, auch Mitt und Navis, sah sie verständnislos an. Ach du je!, dachte sie. Vom Streiken haben die noch nie etwas gehört. Vor Beginn der Industrialisierung waren Streiks unbekannt. Und wann ging das los?, fragte sie sich aufgeregt. Jetzt jedenfalls noch nicht. Aber war es nicht gleich zu Beginn von Amils des Großen Herrschaft? Jawohl; sie hatte gelernt, dass Amil von Anfang an die Industrialisierung gefördert hatte, besonders im Norden. Aber das half ihr auch nicht: Alles erwartete eine Erklärung von ihr, und daher würde sie die Geschichte in eine Schleife senden, denn sie wusste nur deshalb von Streiks, weil es schon welche gegeben hatte, und das wahrscheinlich nur, weil sie an einem windigen Nachmittag in Kredinstal allen davon erzählt hatte, weil…
»Das bedeutet«, sagte sie, »dass ihr alle so lange nicht mehr arbeitet, bis mein Vetter sich einverstanden erklärt, euch einen gerechten Lohn zu zahlen.«
»Aber das geht doch nicht. Dann werden wir entlassen«, wandte Tankol ein.
»Ach, kommt schon!«, rief Maewen. »Mein Vetter ist darauf angewiesen, dass ihr für ihn in die Stollen geht. Wenn ihr alle aufhört, kann er euch nicht alle entlassen, sonst verhungert er selber.«
»Aber es ist doch, wie der Junge Kol sagt«, warf eine der Frauen ein. »Es verstößt gegen das Gesetz.«
Sie waren so erbärmlich und zaghaft und begriffen so langsam, dass Maewen sie am liebsten geschüttelt hätte. »Seht mal. Wenn einer von euch krank wird und nicht zur Arbeit geht, bricht er dann das Gesetz?«
»Nein.« Da waren sie sich alle einig.
»Dann werdet doch alle auf einmal krank«, sagte Maewen.
Ein erstauntes, gebanntes Schweigen folgte. Mitt brach es, indem er herausstrich, was Maewen schon immer für den Schwachpunkt aller Streiks gehalten hatte. »Im Süden kämen sie damit nicht durch«, sagte er. »Der Graf würde einfach seine Gefolgsleute aussenden, um die Rädelsführer aufzuhängen, ob sie krank sind oder nicht. Dein guter Kintor hier im Norden würde das vielleicht nicht wagen. Aber irgendetwas müsste er unternehmen. Wenn er tatenlos zusieht, wären alle ruiniert, er und sie. Das ist«, fügte Mitt hinzu, als hätte er Maewens Gedanken gelesen, »wie in einer Schleife.«
Er hatte Recht. Am liebsten hätte Maewen auch Mitt tüchtig durchgeschüttelt. »Aber es dauert nicht mehr lang, und die Nachfrage nach Kohle wird riesig«, sagte sie. »Jeden Tag … na ja, jedes Jahr kann es so weit sein – in fünf Jahren auf jeden Fall. Das weiß ich bestimmt. Es wird Maschinen geben …«
Mitt runzelte ungläubig die Stirn. »Du meinst, wie Alks Eisen?«
Maewen wusste nicht, wovon er sprach, deshalb wandte sie sich ab und versuchte, den Rest zu überzeugen. »Es ist wirklich wahr. Ich weiß, wovon ich spreche. Sagt Kintor, er soll euch einfach anständig bezahlen und abwarten. Bald werden die Leute nach all der Kohle brüllen, die ihr abbauen könnt, und das wird noch nicht reichen.«
Sie hörte Gemurmel aus der Menge. Es klang zweifelnd und ehrfürchtig zugleich. »Der Eine spricht aus ihr. Sie weiß es vielleicht wirklich.« Tankol jedoch war offensichtlich ein pragmatisch denkender Mensch und fragte: »Aber du wärst nicht bereit, hinunter ins Tal zu gehen und es Kintor selbst zu sagen, oder, Herrin?«
»Wir kommen nicht miteinander aus. Er würde mich nicht anhören«, sagte Maewen. Außerdem würde er sofort bemerken, dass ich nicht Noreth bin, jede Wette. Beim Einen, ist das schwierig! »Nun aber solltet ihr mit eurem Streik bis zum Herbst warten, wenn es kalt wird und die Menschen Kohlen kaufen wollen. Dann braucht Kintor euch wirklich. Dann sagt ihr alle, ihr wäret krank – und wer will, kann mir nach Karnsburg folgen und sich meinem Heer anschließen.«
»Nach der Ernte«, sagte jemand. »Das könnten wir tun, ja, aber erst, wenn die Ernte eingebracht ist.«
Maewen spürte, dass sie ihr immer weiter Recht gaben. Sie empfand ein warmes Triumphgefühl. War das nicht brillant? War das keine gute Idee, ein Heer anzuwerben, ohne eines zu haben? Hatte sie nicht gleich zwei Fliegen mit einer…
Navis machte alles zunichte, indem er kühl fragte: »Nach der Ernte? Aber was, wenn ich fragen darf, was willst du denn in den drei Monaten bis dahin unternehmen, Noreth?«
Dauert die Reise nach Karnsburg nicht so lange ? Zum Teufel! »Ich werde sehr beschäftigt sein«, sagte Maewen.
Navis’ Brauen zuckten hoch. Im nächsten Moment wurde sie von völlig unerwarteter Seite
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