Jones, Diana Wynne
Meister seinem Lehrling eine Standpauke hielt, sondern dass mehr dahinter steckte. Maewen sah deutlich, wie sehr der unversehens aufgetauchte Fluss Hestefan verängstigt hatte, und er ließ diese Furcht offenbar an Moril aus. Der Barde wurde noch lauter.
»Nun gib mir auf der Stelle deine Quidder, und ich verschließe sie im Kasten, bis du alt genug bist, dass man sie dir anvertrauen kann.«
Moril umfasste die Quidder mit beiden Händen und trat einen Schritt zurück. »Nein! Du hast kein Recht…«
»Ich habe jedes Recht!« Hestefan erhob die Stimme, wie nur ein Barde es vermochte. Sie hallte von den Felsen wider. »Mein Lehrbube spielt mit etwas herum, das für jemanden in seinem Alter viel zu viel Macht hat. Du weißt ja überhaupt nicht, was diese Quidder ist!«
»O doch, das weiß ich sehr wohl«, entgegnete Moril verbissen und blass. »Und sie hat meinem Vater gehört, nicht dir. Du hast kein Recht, sie mir wegzunehmen.«
Mitt fand, dass er sich einmischen sollte. »Nun sieh doch, er hat niemandem damit geschadet.«
Hestefan beachtete Mitt nicht. »Gib mir auf der Stelle die Quidder«, sagte er und streckte streng die Hand danach aus.
»Es ist überhaupt nicht nötig …«, begann Mitt.
Doch nun mischte sich auch Navis ein. Er stellte sich neben Moril und fragte in seinem sarkastischsten Ton: »Sollte es möglich sein, dass der Meister den Schüler beneidet? Doch gewiss nicht?«
Hestefan baute sich vor Navis auf und funkelte ihn zornig an.
Wend blickte drängend auf Maewen. »Herrin!«
Maewen hatte ein Gefühl wie in der Schule, wenn ein Lehrer einen Schüler vor der ganzen Klasse zurechtstutzte. Hestefan war Dr. Loviath so ähnlich, dass sie den Gedanken einfach nicht beiseite schieben konnte. Und natürlich, wenn ein Lehrer sich entscheidet, jemanden zur Schnecke zu machen, träumt niemand in der Klasse auch nur davon, sich einzumischen. Wends Blick machte ihr jedoch klar, dass sie sich in einer gänzlich anderen Situation befanden. Sie bemühte sich um einen klaren Kopf.
»Lass das«, forderte sie Navis auf. »Äh – Hestefan, ich bin mir nicht sicher, ob das so geht. Moril hat mir heute Morgen erzählt, dass deine Tochter Fenna und nicht er bei dir in die Lehre geht. Er sagte, er folge dir aus freien Stücken. Ist er dadurch nicht eher dein… äh, Kollege als dein Lehrling?«
»Nun, das stimmt«, räumte Hestefan ungehalten ein. »Doch angesichts seines Alters und seines Verhaltens würde das Gewohnheitsrecht diese Unterscheidung wohl kaum treffen.«
Durch den ungehaltenen Gesichtsausdruck sah er Dr. Loviath so ähnlich, dass Maewen gegen sich selbst ankämpfen musste, um ihm nicht demütig zuzustimmen. Wie es so oft geschieht, schoss sie darum über das Ziel hinaus. »Aber ich bin die Anführerin«, sagte sie, »und ich sage, dass er eigentlich nicht dein Lehrling ist. Deshalb entscheide ich, dass du ihm die Quidder nicht einmal dann wegnehmen könntest, wenn er damit etwas wirklich … äh, Verrücktes angestellt hätte.«
»Außerdem war es auch meine Schuld«, warf Mitt ein, aber sehr barsch und unfreundlich. Nach dem, was Moril gesagt hatte, fiel es ihm sehr schwer, Noreth auch nur anzusehen.
Hestefan hob den Kopf und zeigte mit dem Kinn auf Maewen.
Schlechte Note und nachsitzen!, dachte sie. Und Mitt guckt mich auch so düster an. Sobald man Anführerin ist, kann einen niemand mehr leiden. Und wenn ich fertig bin, habe ich es mir auch mit Moril verdorben. »Aber du hast doch versucht, Mitt durch deine Quidder zu verletzen, nicht wahr, Moril?«
Jeder andere Junge hätte eingewendet, dass Mitt schließlich größer sei als er. Moril beeindruckte Maewen, indem er ihre Frage schlicht bejahte.
Sie fühlte sich wie ein Miststück, aber sie hatte einmal angefangen und fand, dass sie das Begonnene nun auch zu Ende führen musste. »Dann wird jemand anders auf sie aufpassen müssen, bis wir in Auental sind. Moril, würdest du deine Quidder bitte Wend geben?«
Schwer zu sagen, wer überraschter war – Moril, Wend oder Hestefan. Der Barde wandte sich ab und stieg, sich noch immer am Bart zupfend, in den Wagen. Moril packte zuerst die Quidder fester, doch dann reichte er Wend das wunderschön schimmernde Instrument mit einem Blick auf Mitt, der etwas zu bedeuten haben musste. Wend nahm es so ehrerbietig entgegen, dass es förmlich in seine Hände zu gleiten schien. Er hängte sich den abgewetzten Ledergurt über die Schulter und blickte auf die Quidder, als sei sie ein Lämmlein, das er
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