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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 04 Die Krone von Dalemark
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wenn ich dir ein Zeichen gebe.«
    Mitt streckte zögernd einen Finger aus und kniete sich hin. Moril schien sich zu sammeln – nein, das war es nicht allein. Mitt spürte, wie die Macht sich in der Quidder aufbaute. Sie summte unter seinem zitternden Fingern. Nun empfand er noch größere Ehrfurcht vor dem Instrument.
    Moril holte tief Luft und begann in der eigenartig steifen Art zu sprechen, die auch Hestefan benutzt hatte, als er am Mittsommer die Unvergänglichen anrief. »O großer Groß-Vater der goldenen Bande, o Ungebundener und Unvergänglicher, höre mein Flehen. Höre mich und helfe. Die Flut des Gestern ergriff uns und riss uns von unserem Weg. Sende uns zurück in unser Reich aus dem Fluss, den du geschaffen. Mitt und Moril bitten dich unterwürfig im Namen Manaliabrids und Cennoreths. Clennens Sohn fleht dich an, lass ab von deinem Zorn.« Er nickte Mitt zu: Jetzt.
    Beherzt zupfte Mitt die dickste Saite. Er glaubte zu verstehen, wie man solche Wünsche auszudrücken hatte, und konnte nicht widerstehen, hinzuzufügen: »Beim Adon und bei Alhammitt und seiner ach so fruchtbaren Dame«, während er zupfte.
    Morils Finger erzeugten den Rest des Klanges, eines vielstimmigen Gebrülls.
    Das Tosen des Flusses schwoll anscheinend noch weiter an, bis es fast unerträglich laut wurde und nicht nur ihre Ohren, sondern auch ihre Augen betäubte. Ihnen kam es vor, als donnere der Fluss nun als Wasserfall einen Steilhang hinab, wo das Brüllen allmählich zu einem lang gezogenen, tiefen Ton verebbte und schließlich zu einem rollenden Dröhnen wurde. Je mehr der Donner nachließ, desto mehr schien er auch den Fluss mit sich zu nehmen. Das Wasser wurde neblig und ruhig. Der goldstichige weiße Nebel breitete sich über das ganze Flussbett aus, und für einen Augenblick sahen sie nur noch das durchscheinende Gespenst eines Flusses, der still über grünen Boden dahinströmte. Kaum hatte Mitt begriffen, dass dieses Grün tatsächlich Gras war, war der Fluss bis auf einen sehr schwachen Nachklang des Tones verschwunden, der immer noch zu hören war und ihn wie eine Strömung mit sich nehmen wollte. Bis er begriffen hatte, dass diese Strömung vielmehr den ganzen Fluss mit sich nahm, einschließlich des Wassers, das in seinen Schuhen stand und seine Kleidung durchtränkte, war er trocken. Moril ebenfalls. Morils Haar verfärbte sich von einem schmutzigen Braun zu echtem Rot. Und obwohl sie beide trocken waren, obwohl ein schwaches Sonnenlicht auf sie fiel, war die Luft mit einem Mal so viel kälter, dass sie beide noch immer zitterten.
    Maewen sah nur, dass der Fluss genauso schnell verschwand wie er gekommen war, und Mitt und Moril auf einem Felsen auf der anderen Seite der Grünen Straße zurückließ. Sie war sich unschlüssig, ob sie jubeln oder zu den beiden hinüberlaufen und sie knuffen sollte. Es war so nervtötend gewesen, den beiden zuzusehen. Sie schienen nichts weiter zu tun, als auf dem Felsen im Fluss zu hocken und eine ganze Stunde lang zu reden. Maewen hatte immer wieder zu ihnen hinübergerufen, und Navis ebenfalls, nachdem es ihm gelungen war, Mitts Pferd einzufangen, doch die beiden hatten sie überhaupt nicht beachtet. Über Hestefan und Wend war Maewen beinahe genauso sehr verärgert wie über die Jungen: Sie hatten nur den Kopf geschüttelt und gesagt: »Wo sie sind, können sie uns nicht hören.«
    Moril und Mitt kletterten vom Felsen und überquerten die Straße. Beide blickten sie befangen drein.
    »Was, ihr kommt schon jetzt?«, fragte Navis. »Wir hatten gehofft, wir dürften die ganze Nacht auf euch warten.«
    Mitt versuchte, es ihm zu erklären, doch selbst in seinen eigenen Ohren klangen seine Worte lahm und dumm. Er war froh, als Hestefan alle davon ablenkte. Er packte Moril nämlich bei der Schulter und stauchte ihn zusammen. Mit leiser, durchdringender Stimme begann er: »Es war weder die rechte Zeit noch der rechte Ort für solche Streiche. Wir haben eine weite Reise vor uns, müssen auf unsere Begleiter Rücksicht nehmen und in Auental eine Vorstellung geben.« Während er fortfuhr, schwoll seine Stimme allmählich an. »Du hättest deine Quidder verderben oder – noch schlimmer – sie verlieren können. Fast wären uns deinetwegen die Pferde durchgegangen. Fast wären wir deinetwegen ertrunken!«
    Alles hörte voll Unbehagen zu. Moril starrte Hestefan an, als hätte er in seinem ganzen Leben noch nicht solche Worte gehört, und dadurch wurde offensichtlich, dass hier nicht der

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