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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
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während er sich um Navis kümmerte. Die Kammer hatte Steinwände und ein winziges Oberlicht, durch das selbst Mitt sich nicht quetschen konnte. Er setzte sich, verschränkte die Hände hinter dem Kopf, starrte zu dem Dachfenster hoch und hasste Navis aus tiefstem Herzen. All seine Nöte ließen sich zu Navis zurückverfolgen. Ihm war, als habe Navis diesmal nicht die Bombe fortgetreten, sondern ihm einen Tritt zwischen die Zähne versetzt. Und dabei hatte Mitt nur versucht, ihm zu helfen!
    »Das war endgültig das letzte Mal, dass ich irgendetwas für diese Bande getan habe!«, sagte er sich und fiel in einen langen, grimmigen Wachtraum, in dem er sich an Navis rächte. Darin war er ein mächtiger, gesetzloser Freiheitskämpfer mit mehreren hundert entschlossenen Gefolgsleuten, und er malte sich aus, wie er eine Stadt voller verängstigter Adliger eroberte und ihnen allen befahl, sich zu ergeben. Geschlagen kamen sie heraus, Navis unter ihnen, sich windende Harchads, bebende Hadds, Dutzende Hildys, etliche kleinlaute Ynens, die alle die Köpfe hängen ließen und schlurften, wie die Nordmänner mit hängenden Köpfen durch Holand geschlurft waren. Mitt ließ sie alle hinrichten. Navis sparte sich Mitt für ganz zum Schluss auf, damit er einen besonders furchtbaren Tod erlitt.
    Eine denkwürdige Sache war das. Jahrelang war Mitt viel zu beschäftigt gewesen, um sich Tagträumen hinzugeben. Nun stellte er fest, dass er etwas versäumt hatte. Also ging er die Geschichte noch einmal durch, nur ersann er diesmal eine noch größere Stadt und machte sich noch mächtiger und noch gnadenloser. Allmählich erkannte er, dass solch ein Freiheitskämpfer tatsächlich in ihm steckte. Er empfand beträchtlichen Respekt vor sich selbst. Er fabulierte die Geschichte ein drittes Mal und eroberte dabei ganz Süd-Dalemark; Navis hetzte er rücksichtslos durch alle Grafschaften, bis er ihn endlich fing.
    Er hatte Navis gerade halb getötet, wobei er den Einzelheiten größte Aufmerksamkeit widmete, als Al zurückkehrte. Mitt sprang auf und wich in die entfernteste Ecke der kleinen Kammer zurück. Als Miene war so ausdruckslos und unheilverkündend, wie es nur ging. Gerade weil er sich die vielen Grausamkeiten gegen Navis ausgemalt hatte, wusste er genau, dass Al ihn verletzen konnte, wie immer er wollte.
    Doch Al lehnte sich nur an die Tür und musterte Mitt. »Du bist wirklich eine Plage«, sagte er, »und ich muss dich ganz schnell wieder loswerden. Wie viele Leute wissen, wo du bist?«
    Mitt starrte Al unsicher an. Was sollte er Als Meinung nach getan haben? Mitt konnte es nicht sagen.
    »Raus mit der Sprache«, sagte Al. »Oder muss ich dir erst den Schädel einschlagen? Navis weiß, dass du die Bombe geworfen hat. Weiß auch Hobin davon? Hobin muss dir die Büchse geschenkt haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer wie du sich eine von Hobins besonderen Büchsen klauen kann. Hobin gibt viel zu gut auf sie Acht. Weiß auch Milda, wo du bist?«
    Mitt schüttelte den Kopf und starrte Al unverwandt an. Aus der fernen Vergangenheit wurde eine Erinnerung wach: Al rief, die Kuh habe gekalbt. Dann sah Mitt Als breiten Rücken vor sich, wie er nach Holand davonging, um dort Arbeit zu suchen, doch konnte er es einfach nicht glauben.
    »Wenn du irgendjemand anders wärst«, fuhr Al schlecht gelaunt fort, »könnte ich dich mit den anderen beiden nach Holand zurückschicken und wäre alle Sorgen los! Aber ich kann nicht zulassen, dass du Hobin von mir erzählst. Im ganzen Land würde er jeden einzelnen Büchsenmacher gegen mich aufbringen, und ohne Harchad im Rücken käme ich nicht einmal mehr auf Sichtweite an eine Büchse heran. Hobin wirft mir auch so schon genug Knüppel zwischen die Beine. Und das bloß, weil ich mal ein bisschen was über den Durst getrunken hatte und ihm unbedingt erzählen musste, wie ich die Freien Holander auffliegen ließ. Er sagte, er ginge nach Holand, um sich um dich und Milda zu kümmern, aber ich weiß, dass er das nur getan hat, um mich zu ärgern.« Endlich bemerkte Al, dass Mitt ihn anstarrte. »Na, willst du deinen Vater denn nicht begrüßen?«
    »Bist du denn kein bisschen stolz auf mich?«, entgegnete Mitt. Nun starrte Al ihn an. »Weil ich doch ganz der Vater bin und so?«
    Da spie Al auf den Boden, wie er früher, was Mitt noch genau im Gedächtnis stand, in den Graben gespuckt hatte. »Stolz sein auf dich! In Niedertal hab ich drei Kinder, und alle drei zusammen haben mir niemals so viel

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