Jones, Diana Wynne
irgendwohin hastete, begann die Welt auf und ab zu hüpfen. Mitt war es nicht angenehm, mit dem Kopf nach unten über der Schulter des Matrosen zu hängen, doch er konnte es aushalten. Gar nicht lange dauerte es, und er wurde hochgewuchtet, heruntergelassen und schließlich bemerkenswert sanft auf Bretter gelegt, die ein wenig schwankten. Unter den Brettern hörte Mitt Wasser plätschern, und darum vermutete er, er sei in einem Boot. Er spürte, wie das Boot schaukelte, und hörte, wie die beiden Matrosen die Riemen einlegten. Er versuchte, durch den Sack zu lugen, denn er wollte wissen, wo er war. Der Sack war haarig, staubig und löchrig, und es kitzelte ihm in der Nase. Er sah nur wenig Licht durch die Löchlein kommen und vermutete, dass das Boot irgendwo versteckt war und man, was immer man mit ihm vorhatte, insgeheim anstellen musste. Ohne Jenros Warnung hätte Mitt vor Angst geschrien.
Die beiden Matrosen hörten auf, sich zu bewegen. Jenro fragte sanft: »Dann willst du wirklich, Käpten, dass wir den Kleinen aufs Meer hinausrudern und über Bord werfen?«
»Ja«, hörte Mitt Benk von irgendwoher antworten, »und ich komme mit und überzeuge mich, dass ihr gehorcht.«
»Käpten, das ist doch wirklich nicht nötig«, sagte der andere Matrose.
»Ach nein?« Das Boot schlingerte heftig, als Benk hineinsprang. »Ich kenne euch doch. Wenn ihr sagt, es wäre nicht nötig, dann werde ich misstrauisch. Los, ablegen.«
Die Matrosen schwiegen, und Mitt spürte, wie das Boot sich in Bewegung setzte. In langsamem, schläfrigem Rhythmus tauchten die Riemen ein, knirschten und plätscherten. Kurz fiel helles Sonnenlicht durch die Löchlein im Sack. Mitt glaubte, dass sie nun im Hafen sein mussten. Sie fuhren nun eine Weile unter der Sonne. Ganz gleichmäßig tauchten die Riemen ein, knirschten und plätscherten. Der Rhythmus war so einschläfernd, dass Mitt trotz seines Elends beinah eingenickt wäre.
Dann hörte er wieder die milden Stimmen. »Käpten den Kleinen hier ins Meer werfen – das können wir nicht.«
»Aber ihr wartet, bis wir an Schroffrett vorbei sind, bevor ihr mir das sagt«, entgegnete Benk von weiter weg. »Ihr werdet es tun.«
»Käpten, wir sind zu zweit, und du bist allein.«
»Na gut. Dann könnt ihr mir zusehen, wie ich es selber mache«, sagte Benk.
»Aber das können wir nicht.«
»Damit müsst ihr euch schon abfinden«, erwiderte Benk. »Al will es so, und ihr tut doch immer, was Al will, oder nicht?«
»Das hier können wir auch für Al nicht tun.«
Benk schien wirklich erstaunt zu sein. »Nicht einmal für Al?«
»Nein«, sagte Jenro. »Denn dieser Kleine kam auf der Straße des Windes, und ihn leiteten zwei Große vorn und hinten.«
»Was hat das denn miteinander zu tun?«, wollte Bank wissen. »Al ist doch mit dem gleichen vermaledeiten Boot angekommen.«
»Das ist nicht wichtig. Die Großen sind allumfassend.«
»Lasst mich bloß mit eurer Religion in Ruhe!«, rief Benk.
Die Stimmen verstummten. Langsam und friedlich tauchten die Riemen ein. Mitt grinste unter seinem haarigen Sack und rieb sich die juckende Nase. Er vermutete, dass Benk vor ihm im Wasser landen würde, und er glaubte, dass Benk sich dessen genau bewusst war. Vom Geräusch der Riemen besänftigt, schlummerte Mitt ein. Er war froh, sich vergessen zu können. Immer wieder wachte er auf, und jedes Mal war das Streitgespräch wieder im Gange.
»Was soll ich denn tun, wenn zwei meiner besten Männer nicht tun, was ich ihnen sage?«, hörte er Benk fragen.
»Wir werden tun, was du uns sagst«, entgegnete eine milde Stimme.
»Und ich will, dass ihr diesen Bengel ins Meer werft.«
»Aber das können wir nicht tun.«
Ein anderes Mal hörte Mitt, wie Benk fragte: »Und wofür rudert ihr denn eigentlich den ganzen weiten Weg hinaus? Machen wir am Ende einen Bogen und fahren zurück, oder was?«
»Sobald du möchtest, dass wir umkehren, Käpten.«
»Das will ich gar nicht! Ich will, dass ihr den Bengel ins Meer werft!«
»Aber das können wir nicht tun, Käpten.«
Als Mitt das nächste Mal erwachte, hatte Benk aufgegeben. »Ich verstehe«, sagte er gerade. »Und wenn ich ihn anrühre, lande ich statt seiner im Meer.«
»Du solltest uns nicht dazu zwingen, Käpten.«
»Wozu kann ich euch denn dann zwingen?«
»Wenn es dir recht ist, Käpten, dann könnten wir zu einer Insel rudern und den Kleinen dort absetzen. Es gibt Inseln, auf denen kein Sterblicher lebt.«
»Es geht nicht darum, was mir recht ist«,
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