Jones, Diana Wynne
im Schornstein; die Flügel der großen Windmühlen hielt er in ständiger Bewegung. Knirsch-Bumm machten sie, Knirsch-Bumm, und pumpten das Wasser in die Gräben oder mahlten das Korn. Mitt lachte immer über die Windmühlen, weil sie so ungeschickt mit den Armen in der Luft herumfuchtelten.
Eines Tages, nachdem sich Mitt das Schwimmen beigebracht hatte, flaute der Wind plötzlich ganz ab. Im Frühsommer kam das öfter vor, Mitt aber erlebte den Koog zum ersten Mal windstill. Die Windmühlen knirschten ein letztes Mal, und ihre Flügel blieben stehen. Die Bäume bewegten sich nicht mehr. In den Gräben spiegelte sich blauer Himmel, und die Bäume waren darin auf dem Kopfstehend zu sehen. Es wurde ganz still und unerwartet warm. Vor allem aber lag auf einmal ein ungewohnter Geruch in der Luft. Mitt konnte sich nicht erklären, wie ihm geschah. Er saß auf dem Rand des Grabens, der dem Haus am nächsten lag, spitzte in der Stille die Ohren, hob die Nase und sog die Luft ein. Er roch Kuhmist, Torf und niedergetretenes Gras, außerdem noch den Rauch aus den Schornsteinen – das waren die vorherrschenden Gerüche. Darüber hinaus duftete es nach blühenden Pflanzen: nach Wiesenkerbel und Butterblumen, einem Hauch Weißdorn und am stärksten nach dem himmlischen Aroma der Weidenknospen. Ganz in den Hintergrund getreten, noch schwach da und doch eigentlich nicht mehr vorhanden, sodass Mitt sie fast vermisste, roch er die schwache, ungestüme Würze der fernen See.
Mitt war noch zu klein, um von den Düften als Gerüchen zu denken oder zu begreifen, dass nur der Wind sich gelegt hatte. Er glaubte, er spüre einen Ort: Ihm kam es vor, als rieche er im Wind ein Land, in dem es unbeschreibbar schön, warm und friedvoll war, und dorthin wollte er gehen. Jawohl, es war ein Land, und es lag nicht allzu weit entfernt, gerade außer Sicht hinter etwas anderem, und es gehörte Mitt ganz allein. Augenblicklich brach er auf, um es zu suchen, solange er noch den Weg dorthin wusste.
Er trottete zum Ende des Grabens, überquerte ihn auf einem Steg und setzte seinen Weg landeinwärts nach Norden fort. Ungeduldig schritt er voran, kam jedoch nur an Stellen vorbei, die er schon kannte – darum konnte es nicht sein Land sein. Er ging, bis ihm die Beine schmerzten, und selbst da war er noch immer im Neuen Koog mit seinen Gräben, Pappeln und Windmühlen. Mitt wusste bestimmt, dass sein Land anders war als der Koog, und darum blieb ihm keine andere Wahl als weiterzumarschieren. Nach etwa einer Meile erreichte er den Alten Koog. Und jawohl, hier sah es anders aus. Baumlos breitete sich der Alte Koog in alle Richtungen aus, blassrosa Sumpfpflanzen bedeckten den Boden. An einigen Stellen deuteten lange Binsenreihen mit grünem Schlick an, wo einmal Gräben und Höfe gewesen waren, aber nun war alles kahl und platt. Außer Mücken und klagenden Sumpfvögeln schien nichts und niemand hier zu leben. Weit in der Ferne allerdings erhob sich hier und da eine Insel höher gelegenen Landes mit Bäumen und Häusern darauf. Die Straßen, die dorthin führten, durchquerten das rötliche Ödland auf Dämmen, die daraus hervortraten wie die Adern auf dem Handrücken eines alten Mannes. Darüber hinaus war nichts zu sehen, nur ganz weit entfernt erblickte Mitt etwas, das er für eine Wolkenbank hielt. In Wirklichkeit aber sah er die Stelle, wo sich das Land über den Meeresspiegel erhob und Holand an Weymoor grenzte.
Mitt fühlte sich ein bisschen entmutigt. Solch eine Öde hatte er nicht vor Augen gehabt, als er loszog. Sein Traumbild des Gelobten Landes verblasste leicht, und er war sich gar nicht mehr sicher, ob er den richtigen Weg genommen hatte. Dennoch schritt er mutig aus, hinein in die trübselige Landschaft. Er war schon zu weit gekommen, um jetzt noch umzukehren. Nach einer Weile glaubte er zu sehen, wie sich weit vor ihm in der Marsch etwas bewegte. Er verfolgte die Bewegung mit den Augen und hielt darauf zu. Was er tat, war außerordentlich gefährlich, denn im Alten Koog gab es Schlangen. Und wenn Mitt in einen der schaumigen Tümpel getreten wäre, hätte er hineingezogen werden können und wäre ertrunken. Glücklicherweise ahnte er von alldem nichts. Und selbst dann verließ ihn das Glück noch nicht, denn die Bewegungen, die er sah, stammten von einem Trupp gräflicher Soldaten, die den Koog nach einem entlaufenen Aufrührer durchkämmten.
Mitt bemerkte schon bald, dass es Soldaten waren. Er blieb bei einigen gummiartigen Pflanzen
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