Jones, Diana Wynne
Weizengarbe und leckten zur halben Höhe des neuen grünen Buckels herauf. Eine ablaufende Welle ließ Ynen zurück. Er klammerte sich am schlammigen Gras zwischen Mitt und Hildy fest. Obwohl keiner von ihnen hören oder auch nur denken konnte, packte Mitt Ynen, und Hildy beugte sich zu ihm und brüllte: »Alles ist gut!«, bis sie sich heiser geschrien hatte.
Dann war es vorbei. Die See beruhigte sich und schlug nur noch kleine Wellen. Trotz der Brecher hatte es auf der Insel weitergeblüht, und nun war sie ein ebenso grüner Buckel wie die Genter-Inseln. Von der Weizengarbe war nur wenig übrig – nur ein paar Spieren trieben in der Nähe. Auch von Al war nichts mehr zu entdecken. Wo sie ihn zuletzt gesehen hatten, wuchs nun ein ungewöhnlich geformter Flecken Kornähren, denen man beim Reifen zuschauen konnte; so schnell wuchsen sie, dass sie knisterten, als ständen sie in Flammen.
Die Matrosen von der Weizengarbe warfen sich Bemerkungen zu und ruderten zu der neuen Insel, um sie sich anzusehen. Navis stand erschüttert auf der Hügelkuppe und brüllte durch die Dämmerung, denn er wollte erfahren, wo Hildy und Ynen waren.
Mitt schüttelte sich das Wasser aus den Augen. Ihr Götter!, dachte er. Was wohl geschieht, wenn man seinen großen Namen ausspricht?
Etwas zappelte verzweifelt im Wasser direkt unter ihm und erregte seine Aufmerksamkeit. Er ließ sich vorsichtig hinabgleiten, um es sich näher anzusehen. Lithars jung-altes Gesicht blickte ihn beschwörend an. Mitt kniete sich auf den salzigen Boden und reichte dem Baron die Hand. Lithar hielt mühsam darauf zu.
Mitt ergriff ihn. »Du solltest schwimmen lernen«, sagte er, während er Lithar an Land zog.
»Das konnte ich nie«, entgegnete der Baron. »Bitte nicht noch mehr Kunststücke.«
Das erste Boot kam an, und Jenro beugte sich heraus. »Ich rudere euch hinüber zur Straße des Windes, dich und die beiden anderen Kleinen und ihren Vater.«
»Danke«, sagte Mitt. »Und dann bringst du Lithar nach Hause und kümmerst dich für mich um ihn.« Er blickte Lithar an, doch Lithar sagte nichts, sondern betrachtete traurig sein Knie. Sein Apfelbaum war verschwunden. »Er hat sie nicht alle beisammen«, erklärte Mitt.
»Das wissen wir«, entgegnete Jenro ausdruckslos.
»Tu, was ich dir sage«, sagte Mitt. »Du kümmerst dich um ihn. Du. Und lass niemanden sonst in seine Nähe.« Jenro blickte ihn noch immer ausdruckslos an. Mitt fühlte sich verärgert. »Ihr braucht jemanden, bis ich wiederkomme«, sagte er. »Und er braucht jemanden, der sich um ihn kümmert.«
»Bis du wiederkommst«, wiederholte Jenro und lächelte. »Sehr gut. Wollt ihr fünf nun einsteigen, dann rudere ich euch zur Straße des Windes.«
Ress beugte sich vor und half Navis, Ynen, Hildy und Mitt an Bord der Straße des Windes. Kaum waren sie auf der Jacht, ließ er sich in sein Ruderboot hinab und löste die Leinen.
»Ich glaube, ich übernehme die erste Wache«, sagte Navis recht müde und blickte die drei erschöpften Kinder an.
»Tu das«, sagte Mitt. Er fühlte sich völlig ausgelaugt. Er fand kaum noch die Kraft, um Jenro und Ress zum Abschied zuzuwinken.
Die Matrosen winkten zurück. »Fahrt nun auf der Straße des Windes und kehrt siebenfach zurück«, sagte Jenro. Im letzten Abendlicht sahen die Männer von den Inseln der Straße des Windes hinterher. Sie steuerte nach Norden, und mit sich trug sie Libby Bier am Heck und am Bug den Alten Ammet.
[ENDE]
Glossar
Aberath – die nördlichste Grafschaft von Nord-Dalemark; auch Name der Stadt an der Nordküste, die an der Ath-Mündung im Meeresarm von Rath liegt.
Adon – der letzte König von Dalemark vor der Teilung des Reiches, um den sich viele Lieder und Legenden ranken.
Al – die häufigste Kurzform von Alhammitt, des verbreitetsten Männernamens in Süd-Dalemark. So heißt ein Schiffsbrüchiger, den die Straße des Windes aufnimmt.
Alda – Siriols Frau, eine Alkoholikerin.
Alhammitt – der häufigste Männername in Süd-Dalemark; Mitts voller Name.
Alter Koog – das Tiefland vor der Grenze zu Weymoor in Süd-Dalemark, das zur Grafschaft Holand gehörte. Obwohl einst trockengelegt und urbar gemacht, verwandelte es sich in den letzten beiden Jahrhunderten wieder in Marschland, weil man es wegen der ruinösen Steuern der Grafen von Holand nicht mehr bestellte. Das Alte Becken war ein Schlupfwinkel für Verbrecher und eine Brutstätte von Schlangen und Seuchen.
Alter Mann der See – vermutlich ein
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