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Jones, Susanna

Jones, Susanna

Titel: Jones, Susanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Erde bebt
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glücklicher.»
    «Glücklich war ich da nicht, aber es stimmt, ich bin anders als die anderen Leute aus dem Westen, die ich so kennen lerne. Die haben alle mehr auf dem Kasten.»
    Keiner von uns beiden widersprach ihr, aber Teiji starrte sie nachdenklich an.
    «Krankenschwester waren Sie in Großbritannien? Dazu braucht man Fähigkeiten, die nicht viele Leute haben.»
    «Kann sein.»
    «Sie müssen sehr geduldig sein, und sehr praktisch veranlagt»
    «Ich versuche es jedenfalls. Das klappt natürlich nicht immer. Aber das Krankenhaus fehlt mir, und zwar ganz schön.»
    «Aber in einer Bar zu arbeiten. Das ist doch gar nicht schlecht, oder? Ich finde, das ist eine gute Arbeit. Im Nudellokal habe ich so viel Zeit zum Nachdenken, wie ich will, weil mein Körper den Job ganz von selbst erledigt.»
    «Ich tauge hinterm Tresen überhaupt nichts. Ich muss mich wahnsinnig konzentrieren, sonst wäre ich noch schlechter.»
    Sie redeten weiter, aber ich habe keine Ahnung, worum sich das Gespräch dann drehte. Ich wunderte mich über Teiji. Er hatte mir von seiner Liebe zum Bodenwischen und Geschirrspülen noch nie etwas erzählt. Mit solch profanen Themen gaben wir uns nicht ab. Wir redeten über Taifune, Vulkane, über das Licht an einem Wintermorgen. Meist redeten wir, glaube ich, überhaupt nicht. Und das mochte ich am liebsten. Nicht zu reden. Nicht das Bedürfnis zu verspüren, Räume schönen und kostbaren Schweigens mit unnötigen Geräuschen auszufüllen.
    Lily war eine Quasselstrippe. Ich hatte mir gewünscht, dass sie mich - indem sie über alltägliche Dinge redete — vor Teiji gewöhnlich erscheinen ließ, damit er meinen Verrat vergaß. Indem sie stattdessen Teiji ins Gespräch zog, war sie dabei, ihn zu etwas Gewöhnlichem zu machen. Das gefiel mir nicht - für mich bestand Teiji aus purer Magie ->, also hörte ich nicht zu. Ich lehnte mich innerlich zurück und stellte mir Lily in ihrer weißen Tracht vor, wie sie auf einer Krankenhausstation Patienten umsorgte. Sie hatte bestimmt schon tödliche Krankheiten, blutige Verletzungen und jeden Kummer erlebt. Aus heiterem Himmel marschierten mir die sieben Brüder mit ihren Keschern in den Sinn, und dann Noahs abschließende Fahrt ins Krankenhaus, obwohl er mit seinen blutverklebten Locken schon fast tot war. Die Ärzte und Schwestern stürzten herbei und kämpften um sein Leben. Sie kämpften mit ganzer Kraft, aber sie verloren. Und aus irgendeiner Ecke des Schlachtfeldes kam eine Krankenschwester an, um Lucy wegzubringen, eine schöne Krankenschwester mit Fältchen an den Augen.
    «Hatten Sie schon mal mit toten Kindern zu tun?» Die Frage rutschte mir einfach raus.
    Teiji starrte mich an. Er sah so aus, als wäre ihm etwas im Hals stecken geblieben. Lily brachte das nicht aus der Fassung.
    «Ja. Mit Toten jeder Sorte eigentlich. Es ist mein Job. Das macht es zwar nicht leichter, wenn ein Kind stirbt, aber...» Sie trank einen Schluck Bier und zog die Augenbrauen zusammen.
    «Aber?»
    «Ich weiß nicht mehr, was ich sagen wollte. Das Bier ist mir in den Kopf gestiegen. Ich bin besoffen.»
    «Ich auch.»
    Falls meine Frage Teiji erschreckt hatte, erholte er sich rasch. Jetzt lachte er. Sein Gesicht war vom Alkohol gerötet. Er sah so aus, als hätte man ihn gekitzelt. Ich hatte ihn noch nie auch nur angeheitert gesehen, und ich fühlte mich verunsichert. Er war entspannt und lächelte lieb, aber es war anders als das Lächeln, das ich kannte. Ich berührte seine Wange mit den Rücken meiner Finger. Seine Haut glühte. Er fasste mir ans Handgelenk, damit meine Hand da blieb, wo sie war.
    «Du bist ganz heiß, Teiji.»
    «Ja. Ich trinke zu viel, und dann fange ich an zu kochen. Ich brauch Luft, um mich wieder abzukühlen. Trinken wir woanders weiter. Ich würde gern im Park sitzen.»
    «Gibt's einen Park hier in der Nähe?», quiekte Lily förmlich.
    «Nicht so ganz in der Nähe», erwiderte Teiji, «aber es ist schön draußen. Wir können laufen.»
    Während wir in der Bar saßen, war es Nacht geworden. Im Yoyogi-Park setzten wir uns auf Plastiktüten aus einem Lebensmittelladen und stapelten Bierdosen um uns herum auf. Wir öffneten Tüten von kleinen Reiscrackern mit winzigen getrockneten Fischlein und verteilten sie im Gras. Die Lichter der Stadt glitzerten durch die hohen Bäume. Lily sah sie an und fing an zu singen.
    *Sometimes I walk away, wheri all I really wanna do -»
    «Sie haben eine schöne Stimme.»Das Kompliment war ehrlich gemeint. Ihre Singstimme

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