Jones, Susanna
war voll und rein, ohne eine Spur von dem weinerlichen Unterton, den sie beim Sprechen hatte.
«Danke - is love and hold you right. There is just one thing I can say -»
«Das ist ein vollkommener Sommerabend.» Ich legte mich ins Gras zurück und ließ die Insekten an mein Blut.
«It's all right. Can't you see - the downtown lights.»
«Die Lichter von Downtown», murmelte Teiji. «In jeder Großstadt der Welt. Ich würde gern mal die von London sehen.»
«Ich auch», piepste Lily dazwischen. «Ich bin nur zweimal in London gewesen, und beide Male war ich tagsüber da. Aber solche Großstadtlichter wie die von Tokio habe ich noch nie gesehen. So groß und so hell. All diese riesigen Schriftzeichen überall, die dauernd an- und ausgehen. Am besten gefällt's mir, wenn Großstadtlichter sich in Wasser spiegeln, also, wenn's regnet oder wenn ein Fluss durch die Stadt fließt. Das find ich herrlich.»
Teiji legte seinen Arm um mich, und mit der anderen Hand griff er nach einer Bierdose und riss sie auf, dann reichte er sie mir und küsste mich seitlich auf den Hals. Ich dachte an Sachis langen und weichen Hals.
«Singen ist gut», verkündete Teiji. «Es ist wie ganz aus der Tiefe zu atmen, nicht aus den Lungen heraus, sondern aus der Seele. Aber englische Lieder kenne ich keine, außer von den Beatles, und von denen kenne ich die Texte nicht.»
Ich hatte ihn noch nie singen hören oder auch nur sagen hören, dass er es gern getan hätte. Aber vor Betrunkenheit nuscheln hatte ich ihn schließlich auch noch nie gehört.
«Bringt mir ein japanisches Lied bei.» Lily war aufgestanden und schwankte leicht, als sie einen Schluck aus ihrer Dose nahm. «Ich möchte ein japanisches Lied lernen.»
Teiji schloss die Augen, und ich dachte, er würde jetzt in seine eigene Welt abdriften. Nach ein paar Sekunden machte er sie wieder auf und lächelte Lily an.
«Na gut. Ich bringe Ihnen ein einfaches bei. In Japan kennt jeder dieses Lied.»
Und langsam sangen wir alle zusammen Ue o muite Arukou. Lily bekam die Worte nicht richtig mit, sang aber lauthals bedeutungslose Annäherungen und hörte nicht zu, wenn ich versuchte, ihr den Text zu übersetzen.
Ue o muite
Arukou...
«Sieh beim Gehen nach oben», warf ich ein.
Namidaga koborenaiyou ni...
«Damit die Tränen nicht herunterfallen ...»
Omoidasu, haru no hi,
Hitori bochi noyoru.
«... wenn du an einem einsamen Abend an einen Frühlingstag zurückdenkst.» Ich wiederholte die letzte Zeile im Kopf. «Oder ist es umgekehrt? Das ist schwer zu übersetzen.»
Lily war's egal, was die Worte bedeuteten, aber sie sang sie mehrmals hintereinander.
«Ich bin wirklich zu betrunken.» Teiji machte ein weiteres Bier auf und stimmte die zweite Strophe des Liedes an.
«Laufen wir ein bisschen herum. Die Nacht ist schön.» Lily wirbelte auf den Absätzen herum und kicherte.
Wir sammelten unsere Sachen zusammen und gingen los. Sobald wir standen, fiel mir auf, dass Teiji seinen Fotoapparat liegen gelassen hatte. Er vergaß seine Kamera nie. Ich hob sie auf und hängte sie mir um den Hals. Ich würde sie vorzeigen, sobald er merkte, dass er sie nicht umhatte. Lily fing wieder an zu singen, und Teiji versuchte, ihre Fehler zu korrigieren.
Hinter dem Rücken der beiden nahm ich den Schutzdeckel vom Objektiv ab, hob die Kamera ans Auge und brachte es fertig - obwohl es noch schwieriger war, scharf zu sehen, als das Objektiv scharf zu stellen -, sie beide im Rechteck des Suchers einzufangen. Der Blitz war grell, aber sie gingen und sangen unbeirrt weiter, als hätten sie nichts bemerkt. Ich nahm die Kamera vom Gesicht und rannte hinter Teiji her. Plötzlich erschien es mir lebenswichtig, sie ihm zurückzugeben.
Jetzt habe ich es mir noch einmal überlegt und sehe, dass es wahrscheinlich eher dieses Foto im Yoyogi-Park war als das im Nudellokal, womit mein Untergang begann. Oder aber Lucy ist zu abergläubisch und sucht überall nach Zeichen, während es in Wirklichkeit nirgendwo welche gibt.
In den frühen Morgenstunden zogen wir durch die Straßen, gingen eine Steigung hinauf in Richtung Teijis Wohnung. Lily fiel dauernd hin und meinte, sie würde auf dem Bürgersteig schlafen und wir sollten uns keine Sorgen machen. Jedes Mal hoben wir sie wieder auf und schleppten sie zwischen uns ein paar Schritte weiter. Lily war nicht schwer, aber Teiji war alkoholbedingt nicht so stark wie sonst. Er rempelte mich ständig an, und ich merkte, dass ich die meiste Arbeit tat. Teiji
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