Jones, Susanna
der ich gewohnt habe, bevor ich nach Japan gekommen bin. Sie hat mir geholfen, den Job zu bekommen und alles. Das bedeutet, dass er meine Spur zumindest bis zu ihr verfolgt hat. Als Nächstes wird er herausfinden, dass ich in Tokio bin. In den Pubs in der Nähe ihres Hauses gibt es ein paar Leute, die ihm das erzählen könnten.»
«Ja, aber selbst wenn er herausfindet, dass du hier bist, wie in aller Welt sollte er in Tokio deine winzige Wohnung ausfindig machen?»
«Ich weiß, dass du Recht hast, aber der Brief hat mir einfach einen Schrecken eingejagt. Ich komm mir blöd vor, dass ich deswegen in Panik gerate. Aber die Sache ist die, dass es gerade anfing, mir ohne ihn gut zu gehen. Ich gewöhne mich langsam daran, hier zu arbeiten und zu leben. Ich hatte England schon fast ganz vergessen. Es war eigentlich richtig nett. Und da taucht der Mistkerl wieder auf.»
«Ist er wirklich so schlimm? Wovor hast du denn solche Angst? Du hast das Land verlassen - das dürfte doch wohl reichen, damit er kapiert, dass du auch ihn verlassen hast, oder?»
Lily sagte nichts. Sie schüttelte den Kopf.
«Ist er gewalttätig?»
«Nicht mir gegenüber. Nur Männern gegenüber, die seiner Ansicht nach zu viel mit mir reden oder mich ansehen. Ehrlich, ist doch der reinste Witz. Wer sollte mich wohl ansehen?»
Jeder, der die Wahl hätte, würde sich lieber Lilys hübsches Gesicht als Lucy ansehen, aber ich wollte dieses Argument nicht vorbringen, solange sie sich so erfolgreich in Selbstmitleid übte.
«Selbst wenn er deine Adresse herausfinden sollte, meinst du ernsthaft, er würde nach Japan kommen? Das ist eine lange Anreise, nur um sich von einer Frau, die einen schon verlassen hat, einen Korb zu holen.»
«Wenn er das Geld hat, dann kommt er auch. Wohlgemerkt, das ist ein großes Wenn.»
«Na, dann sagst du ihm eben, er soll verschwinden, wieder in seinen Flieger steigen.»
Sie lachte, zupfte an ihren Nagelhäutchen. «Weißt du, was er mal gemacht hat? Das ist richtig peinlich. Er wollte einen Privatdetektiv beauftragen, mir nachzuschnüffeln, aber er hatte nicht das Geld dazu. Also hat er stattdessen von irgend so einem zwielichtigen Typen in einem Pub eine billige Abhörwanze gekauft und sie unter das Futter meiner Handtasche gesteckt.»
«Er hat dir nachspioniert?»
«Ja, aber ich hab's sofort entdeckt. Er hatte das Futter aufgerissen, um die Wanze reinzustecken, und dann hat er versucht, es wieder zusammenzunähen, hat aber richtigen Pfusch produziert. Ich hab sie gefunden, als ich auf der Arbeit meine Handtasche in den Schrank hängen wollte. Wohlgemerkt, ich wusste wochenlang nicht, was das war, und fragen mochte ich nicht. Ich hab sie einfach ins Fach von meinem Schrank gelegt und dann gar nicht mehr dran gedacht. Mehr als das Auf- und Zugehen der Tür und das Geräusch vom Schlüssel im Schloss dürfte er nicht empfangen haben.»
«Und wie hast du dann herausgefunden, was das war?»
«Ich hab ihn ein paar Mal dabei erwischt, wie er in meiner Tasche kramte. Dann ist mir endlich aufgegangen, wonach er suchte. Ich hab die Wanze jemandem auf der Arbeit gezeigt, und der hat mir gesagt, was es war. Ich hab sie weggeschmissen - allerdings nicht, ohne vorher mit dem Gedanken gespielt zu haben, sie an der Sirene eines Rettungswagens zu
befestigen, damit der Dreckskerl ordentlich was zu hören kriegt.» Ich sah sie an.
«Ich weiß, was dieser Blick bedeutet. Warum hab ich ihn nicht schon früher verlassen?» «Und, warum nicht?»
«Weil ich wusste, dass er mir nachgelaufen wäre, und dann hätte ich nur wieder ständig Krach gehabt und alles. Es war einfach weniger stressig, bei ihm zu bleiben, bis ich so weit weg konnte, dass er mich nicht mehr finden würde.» «Logisch.»
«Ich weiß, ich weiß. Wenn ich du wäre, hätte ich einfach gesagt: Verschwinde, und er wäre ein für alle Mal gegangen. Du bringst so was fertig. Ich nicht. Ich bewundere dich ehrlich, aber ich bin nicht so wie du.» Ihre Augen verschleierten sich für einen Moment, und dann blinzelte sie. «Es tut mir Leid, dass ich dir so deine Zeit stehle.»
«Tust du nicht. Ist völlig okay. Du kannst jederzeit herkommen.»
«Wir Yorkshirerinnen müssen zusammenhalten, hm?» Ich befürchtete, sie könnte anfangen zu weinen, also spielte ich ausnahmsweise einmal mit. «Und jetzt wollen wir dein Problem auf gute Yorkshirer Weise lösen.» «Nämlich wie?» «Ich setz Wasser auf.»
Lily lachte und rieb sich die Augen. «Danke. Ich hab einen
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