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Jones, Susanna

Jones, Susanna

Titel: Jones, Susanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Erde bebt
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kein Japanisch konnte, aber vor einem Japaner war sie hochgradig befangen. Bei Lucy verhält es sich genau andersherum. Es hat mich noch nie gestört, Fehler zu machen, wenn ich mit einem
    Muttersprachler Japanisch rede, aber wenn ein Ausländer zuhört, möchte ich, dass jedes Wort perfekt sitzt.
    «Das da - der Berg?» Sie deutete kläglich auf einen der vielen hohen Gipfel, die sich zum Horizont hindehnten.
    «Das ist ein yama.» Teiji war ein geduldiger Lehrer. Er korrigierte so geschickt, dass man beide Wörter lernte - das falsche und das richtige - und sie nie wieder vergaß. «Yama. Dann die Bäume. Heißt mori ?» «Beinah. Schon ziemlich nah dran. Noch ein Versuch.» Die Stunde machte mir Spaß. Es war so, als sähe man einem kleinen Kind zu, das gerade lernte, einfache Gegenstände zu identifizieren. «Die Blätter an den Bäumen?» «Nein. Blätter sind ha.»
    «Das ist leicht zu merken. Ha ha, das ist ein Blatt.» Sie freute sich über die Eselsbrücke und lächelte über ihre eigene Findigkeit.
    «Aber Sie könnten es vergessen und sagen: Ha ha, das ist ein Ast.» Teiji grinste.
    «Warum sollte man überhaupt eins von beiden sagen? Man könnte doch genauso gut sagen: Ha ha, das ist ein Bürgersteig, oder: Ha ha, das ist eine Bushaltestelle.» «Bringt mich nicht durcheinander. Ast. Ist mori ein Ast?» «Ast ist eda.»
    «Yama, eda, ha. Okay, die hab ich mir gemerkt. Ich geb's auf. Was bedeutet mori nun?»
    «Wird nicht verraten. Das müssen Sie schon selbst herausfinden.»
    Dichte Wälder bedeckten die Berghänge, dunkelgrün und kraus. Es gab überhaupt nichts anderes zu sehen. Ich fragte mich, ob Lily Probleme mit den Augen hatte.
    «Ich geb Ihnen eine kleine Hilfestellung.» Teiji kramte in seinen Taschen, dann in seinem Rucksack.
    «Was suchen Sie denn?»
    «Haben Sie einen Stift und Papier?»
    «Nein.» Lily zuckte die Achseln. «Ich nehme nie irgendwas mit außer Geldbeutel und Haarspray. Und Unterwäsche natürlich, wenn ich wegfahre. Und eine Zahnbürste und -»
    «Hier.» Ich reichte Teiji einen angekauten Bleistift und einen Kassenzettel.
    Auf die Rückseite des Zettels schrieb Teiji das Kanji für mori, zwölf einfache, aber geschickt platzierte Striche, sauber gezeichnet.
    «So schreiben wir mori. Was meinen Sie, wie sieht das aus?»
    «Wie ein japanischer Buchstabe.»
    «Sehen Sie sich die Form an.»
    Lily sah sich das Schriftzeichen an, die drei zu einem Dreieck angeordneten Teilzeichen. «Bäume. Drei kleine Bäume.»
    Teiji deckte mit dem Finger zwei Bäume ab, sodass nur noch der obere sichtbar blieb. «Dieser allein ist ein Baum. Was bedeuten also drei zusammen?»
    «Viele Bäume. Ein Wald?»
    «Sie sind eine gute Schülerin», sagte Teiji und gab mir den Bleistift zurück. Ich glaube, wir waren beide erleichtert, dass sie es endlich kapiert hatte.
    Danach döste ich ein bisschen und hörte dabei Lily zu, wie sie ihre neuen Vokabeln wiederholte, wenn die entsprechenden Dinge draußen vorüberzogen.
    «Yama, hashi, ki, eda, eki, ha, mori.»
    Berg, Brücke, Baum, Ast, Bahnhof, Blatt, Wald.
    Die Hügel wichen steilen Bergen, und schließlich waren wir in Niigata. Wir fuhren schnurstracks zum Hafen und gingen an Bord der Fähre. Jetzt hatte uns echte Urlaubsstimmung gepackt, und wir beeilten uns, den besten Platz auf Deck zu ergattern, um das japanische Festland verschwinden zu sehen Wir ließen Honshu zurück und steuerten auf unglückbringend nordwestlichem Kurs das sturmgepeitschte Eiland der Verbannten an. Ich war besinnungslos vor Glück.
    Die Überfahrt dauert eine knappe Stunde, und die See war ruhig. Als wir Sado erreichten, war es später Nachmittag. Die Fähre legte im Fischerstädtchen Ryotsu an, und wir gingen an Land. Lily starrte die Berge an, die hinter der Stadt emporragten. Sie sah nach links, nach rechts, dann wieder nach links, bemüht, ihre Schönheit in ihre großen, leeren Augen aufzunehmen. Teiji wandte sich zum Meer zurück, zur schroffen Bucht, in die wir gerade eingefahren waren. Lachend ging er wie benommen ein paar Schritte rückwärts. Eine Windbö erfasste ihn, und er wirbelte mit ausgebreiteten Armen herum. Plötzlich taumelte er, und es sah so aus, als würde er gleich hinfallen, aber bevor seine Knie den Boden berührten, sprang er wieder auf. Er erinnerte mich an die Vogelscheuche im Zauberer von Oz. Ich musste über ihn lachen.
    In Ryotsu schlenderten wir schmale Gässchen entlang, atmeten fischige Luft. Wir rannten um Ecken, spähten durch die

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