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Jones, Susanna

Jones, Susanna

Titel: Jones, Susanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Erde bebt
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mich mit traurigen Augen anstarrt, und ich sehe die Brüder: Luke, Nathan, Matthew, Samuel, Simon, und alle lächeln sie Lucy an, aber ohne eine Spur von Grausamkeit, und sie erscheinen ihr völlig verändert, nicht als eine hämische Horde in Pfadfinderkluft, sondern als glückliche, gesunde kleine Buben mit glänzenden Augen. Sie sind klein und süß. Ich bin froh, sie zu sehen, aber wenn sie hergekommen sind, um mich zurückzuholen, werde ich sie enttäuschen müssen, die armen Kinder. Sie können kein japanisch, da bin ich mir ganz sicher, und das ist ja mittlerweile halb, oder mehr als halb, meine Sprache.
    Aber sie haben sich in Pünktchen aufgelöst und verflüchtigt. Es ist weder Jonathan noch sonst einer der Brüder. Es ist Lizzie mit ihrer Posaune, ihrem fettigen Haar und ihren Krankheiten. Sie ist gekommen, um mit mir zu musizieren, und sie möchte, dass ich mit ihr zurückkomme und bei der BBC anfange. Natürlich werde ich ihr sagen, dass ich das unmöglich tun kann, weil ich seit über zehn Jahren kein britisches Fernsehen mehr gesehen habe und keine Ahnung hätte, wie ich den Job machen sollte. Außerdem habe ich mein Cello seit Frau Yamamotos Tod nicht mehr gesehen, und Musikinstrumente sind sehr teuer, wie George und Miriam immer sagten. Lizzie, so Leid es mir tut, es wird mir unmöglich sein, mit dir zusammen zu spielen.
    Lizzies Stimme sagt, es ist nicht sie, Dummerchen, es ist Brian Church, und er sagt, nein, stimmt nicht. Aber ich werde allmählich wirr im Kopf und mache Fehler. Ich muss es ganz fest im Sinn behalten. Ich bin noch nicht tot. Noah, Brian, George, Frau Yamamoto, Lily. Sie werden noch warten müssen. Ich bin noch am Leben. Ich bin's.
    Ich stehe vor der Tür, befehle mir, mich zusammenzureißen, denn ich weiß, dass ich nicht den Verstand verloren habe, da
    bin ich mir ganz sicher. Ich zähle bis zehn, fünfmal, zehnmal, zwanzigmal. Zur Sicherheit warte ich noch ein bisschen länger. Und dann bin ich so weit. Ich zwinge mein Gehirn, einen logischen Gedanken zu produzieren. Es gehorcht. Mein logischer Gedanke ist, dass der Besucher nur Natsuko oder Bob sein kann.
    Ich betrete das Zimmer. Ich kann meine Beine nicht mehr spüren. Es ist so, als würde man mich auf Rollen hineinschieben. Jemand sitzt vor dem Fenster, sieht mir entgegen. Die Sonne scheint herein, und meine Augen sind an natürliches Licht nicht gewöhnt. Ich kann keinerlei Gesichtszüge ausmachen, aber ich bin mir sicher, dass mir diese Gestalt unbekannt ist.
    «Hallo, Lucy. Erinnern Sie sich an mich?»
    Hundertprozentig nicht. Ich kneife die Augen zusammen. Redet sie Englisch oder Japanisch? Ich verstehe ihre Worte, aber ich weiß nicht, aus welcher Sprache sie sind.
    «Sie sehen nicht gut aus. Wir holen Sie hier heraus, und dann werden Sie sich erholen.»
    Sie kichert, und ich blinzle. Es ist Frau Katoh, die Bratschistin.
    Ich gehe davon aus, dass sie hier ist, um mich zu beschuldigen, also setze ich zu einer aufgeregten Verteidigungsrede an.
    «Ich wollte Frau Yamamoto nicht töten. Wirklich nicht. Es war ein Unfall. Ich hab das Cello einfach anderswo hingelegt, und ich weiß nicht, warum, aber ich hatte keine Ahnung, dass sie darüber stolpern würde. Es tut mir
     Leid -»
    «Wovon reden Sie nur?» Sie lacht wieder, ein glashelles Plinkern. «Sie fehlt uns allen schrecklich, aber es lässt sich nun mal nicht bestreiten, dass Frau Yamamoto schon immer ein ganz schöner Tollpatsch war. Sie hat es auch selbst zugegeben. Ich wusste, dass ihr eines Tages etwas zustoßen würde. Ständig habe ich es ihr gesagt.»
    «Sie war ein Tollpatsch?» Ich versuche, mich zu erinnern, ob sie das wirklich war, aber ich kann mir nicht einmal mehr ihr Gesicht vergegenwärtigen.
    «Ja, allerdings. Aber ich bin nicht deswegen hier.» Sie sieht mir in die Augen, spricht langsam. «Ich wollte Sie sehen. Ich habe in den Zeitungen einen Haufen Unsinn gelesen. Ich hoffe, Sie kümmern sich nicht darum. Ich wollte Ihnen sagen, dass ich die Angelegenheit in Ordnung bringen werde und Sie bald wieder frei sind.»
    «Aber ich will nicht frei sein.»
    «Warum denn nicht?»
    «Ich hab nichts, wo ich bleiben könnte. Ich lauf in Tokio immer nur im Kreis herum.»
    «Na, dann müssen Sie eben wieder heim, nach Großbritannien.»
    «Da erwartet mich nichts. Alle Menschen sind Gespenster. Das ist keine Heimat, wissen Sie.»
    «In dem Fall müssen Sie bei mir wohnen, in meinem Haus hier in Tokio. Es hat überhaupt keinen Sinn, dass Sie in Ihre einsame Wohnung

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