Jordan, Penny
zurückkehrte, erfuhr er, dass sein Vater tot war und seine Mutter sich irgendwo befand, „wo man sie wieder gesund machen würde.“ Von nun an sollte er das Haus seines Onkels David als sein Heim betrachten, in dem auch sein drei Jahre jüngerer Vetter Morris lebte.
Aber das konnte er nicht. Im Gegensatz zu seinem Vater lernte er jedoch rasch, seine Gefühle für sich zu behalten und sie hinter einer fröhlichen Ungezwungenheit zu verbergen, mit der er fast alle täuschen konnte. Nur nicht seinen Großonkel Reuben.
„Denk an meine Worte, der wird dir noch Ärger bereiten“, sagte der zu seinem Neffen. Aber David Howell lachte nur.
Schon hatte er Richard eine Stellung in der Bank versprochen, wenn er in Oxford gut abschloss. Richard wollte diese Stellung. Er wollte sogar noch mehr – viel mehr.
Sein Onkel war beeindruckt gewesen, als er beiläufig Tims Namen erwähnte. Noch stärker würde ihn beeindrucken, dass Richard nach Marchington eingeladen worden war. Den Grund dafür würde er natürlich nie erfahren.
Die Tatsache, dass sie in der Kapelle von Marchington in den Klub eingeführt werden sollten, verstärkte Richards Erregung noch. Er hatte in der Bibliothek einiges über den Ort gelesen. Im Gegensatz zu dem Besitz von Francis Dashwood gab es in Marchington keine Höhlen, in denen sie ihre geheimen Riten vollziehen konnten. Richard gab freimütig zu, dass er den Luxus der Gästezimmer des Herrenhauses den kahlen Höhlen von Medmenham vorzog.
Tim traf seit über einer Woche jeden Abend nach der Arbeit mit Rachel zusammen. Zunächst war sie vorsichtig gewesen und hatte erwartet, dass er sie in sein Bett holen wollte. Da es nicht der Fall war, entspannte sie sich langsam.
Tim war der erste junge Mann ihres Alters, mit dem sie sich ausführlich unterhielt. Wenn er wollte, konnte er ein amüsanter Erzähler sein. Er kannte eine Menge Geschichten über seine Familie und seine Freunde und erzählte sie so ungezwungen, dass auch erheblich gewandtere und gebildetere Leute als Rachel davon bezaubert waren.
Andere Mädchen in Rachels Alter und mit der Einstellung der Siebzigerjahre hätten sich längst gefragt, weshalb Tim keinerlei sexuelles Interesse an ihnen zeigte. Aber Rachel war nicht wie andere Mädchen. Sie fürchtete sich vor Sex, und Tim als erfahrener Jäger spürte dies. Es machte ihm Spaß, zu beobachten, wie weit er gehen konnte, ohne ihr Angst zu machen. Sobald er Rachel auch nur zufällig berührte, verkrampfte sie sich und sah ihn argwöhnisch an.
Welch eine seltene Entdeckung war dieses Mädchen! Seelisch war sie ebenso jungfräulich wie körperlich und für seine Zwecke derart geeignet, dass der Teufel bei ihrem wundersamen Auftauchen genau zu dem Zeitpunkt, wo er sie am dringendsten brauchte, seine Hand im Spiel gehabt haben musste.
Nach dem ersten gemeinsamen Abend gab Tim sorgfältig acht, dass er nur an Orte mit ihr ging, wo er mit Sicherheit keine Bekannten traf. Sie machten lange Spaziergänge am Fluss und fuhren mit seinem Wagen, den er außerhalb des Colleges abgestellt hatte, hinaus aufs Land.
Simon wurde wütend, als Tim ihm erzählte, er wolle Rachel nach Marchington einladen.
„Das kannst du nicht tun, du Dummkopf“, rief er.
„Weshalb nicht? Marchington ist doch mein Zuhause.“
„Sie passt nicht dorthin. Deine Schwestern …“
„Meine Schwestern werden sie dulden, wie sie alle meine Freunde dulden – dich eingeschlossen. Außerdem werden sie gar nicht da sein.“
Tim konnte ziemlich boshaft werden, wenn er wollte, und es belustigte ihn, dass Simon dunkelrot wurde.
„Deine Absicht war unübersehbar“, fuhr er höhnisch fort. „Mein Vater würde niemals seine Zustimmung zu einer Heirat mit Deborah geben, falls du offiziell um ihre Hand anhalten solltest. Er hat andere Pläne mit ihr.“
Simon starrte Tim an. Trotz seines körperlichen Verlangens hätte er den Freund am liebsten umgebracht. Wenn es um seinen Stolz ging, reagierte Simon äußerst empfindsam, und er musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht zu antworten: Wäre Deborah nicht deine Schwester, hätte ich kein zweites Mal bei ihr hingesehen. Sie war keine Schönheit. Keine von Tims Schwestern war hübsch. Es schien, als hätte das Schicksal sein ganzes Füllhorn über ihm ausgeschüttet und die jüngeren Geschwister nicht mehr bedacht.
Eine Einladung in Tims Elternhaus war das Letzte, was Rachel erwartete. An seiner Sprache und seinem Verhalten hatte sie erkannt, dass er aus einer reichen Familie
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