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Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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tat er hier?
    Der mühsame erste Versuch, die eigene Stimme zu gebrauchen, endete in einem schrecklichen Krächzen seiner trockenen Kehle. Ein kaum hörbarer Laut, der trotzdem Jorinas scharfes Ohr erreichte. Sie eilte herbei.
    »So seid Ihr endlich wach«, hauchte sie seltsam verlegen und wich seinen Augen aus. »Ihr werdet Durst haben. Hier, trinkt ...«
    Die ebenso sanfte wie geschickte Art, mit der sie ihn stützte und ihm zugleich eine hölzerne Schale mit klarem Quellwasser an die Lippen setzte, ließ keinen Widerspruch zu. Er trank sie bis auf den letzten Tropfen aus, aber als sein Verstand wieder zu arbeiten begann, wich sein Wohlbefinden schlagartig.
    Er runzelte die Stirn und fasste mit der gesunden Linken nach Jorinas Handgelenk. Fast so, als hätte er Furcht, dass sie einfach wieder gehen würde, ohne seine Fragen zu beantworten. Sie versuchte ihn mit einem Lächeln zu beruhigen.
    »Ihr müsst Euch nicht sorgen, Messire Raoul«, sagte sie leise. »Niemand wird uns hier finden. Gönnt Eurem Körper und Eurer Seele die Ruhe, die beide nötig haben, damit Ihr wieder gesundet!«
    Ihre Blicke trafen sich, und Jorina erschrak vor der Qual, die sie in seinen Augen las. Sie spürte seine Verzweiflung und einen so düsteren und vernichtenden Zorn, dass sie vor Raoul zurückwich, soweit es sein Griff zuließ.
    »Hab keine Angst vor mir«, murmelte er heiser. »Doch ich fürchte, ich kann dir auch nicht den Dank sagen, den du von mir erwartest. Kannst du mir verraten, wo ich mich befinde?«
    »Im Wald von Penhors und in Sicherheit«, wiederholte Jorina und versuchte vergeblich ihr Handgelenk zu befreien. »Ich glaube nicht, dass dieser Ort jemals von Menschen betreten wurde. Ich habe ausschließlich Tierspuren gefunden.«
    »Das nennst du Sicherheit?« spottete er. »Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis deine Tiere ihren Hunger an unseren Gebeinen stillen ...«
    »Es gibt keinen Grund, dass Ihr Euch sorgt«, widersprach Jorina. »Dieser Wald ist eine Quelle des Überflusses, und ich habe mit meiner Mutter lange genug in seinem Schutze gelebt, um seine Regeln zu kennen ...«
    »Zwei Frauen allein in einem riesigen Forst?« Der Seigneur wollte seinen Ohren nicht trauen. »Das ist unmöglich!«
    Jorina entdeckte, dass er ihr missfiel, wenn er den arroganten Edelmann herauskehrte. Nahm er an, dass sie ihn belog? Dass sie sich wichtig machen wollte?
    »Gibt es dort, wo Ihr zu Hause seid, keine Frauen, die Kräuter sammeln und die Menschen der Dörfer mit Heiltränken und anderen Dingen versorgen?«
    »Natürlich, aber das sind Hexen!«
    Jetzt war es Jorina, in deren hellen Augen der Zorn blitzte und die den Mann mit einem Blick bedachte, in dem sich Verachtung und Schmerz mischten. Sie war so wütend, dass sie sich gewaltsam von ihm befreite, ohne Rücksicht darauf, ob sie ihm wehtat.
    »Wie einfach Ihr Euch das Leben macht, Seigneur! Denkt Ihr, man hat mich gefragt, ob ich in einer Hütte oder in einer Burg zur Welt kommen möchte? Denkt Ihr, meine Mutter wurde gefragt?«
    »Aber dein Vater ...«, entgegnete er stockend, von ihrem Zorn überrascht.
    »Er hat sich nicht lange genug bei Alaine aufgehalten, um sich Gedanken über das zu machen, was er ihr antat«, entgegnete sie scharf. »Er nahm sich eben Zeit, seine Beinkleider wieder in Ordnung zu bringen, nachdem er dem Kind, das dumm genug gewesen war, sich von den anderen Mädchen des Dorfes beim Beerensammeln zu trennen, Gewalt angetan hatte. Niemand hat ihr jemals geglaubt, dass sie keine Schuld an den Ereignissen hatte. Ihr eigener Vater prügelte sie halb tot, und am Ende blieb sie bei der alten Kräuterfrau, die sie in ihrer Verzweiflung um einen Trank gebeten hatte, das unerwünschte Kind zu töten, das in ihrem Leib heranwuchs.«
    »Aber ...« Der Ritter brach beschämt ab.
    Er hatte nie darüber nachgedacht, was aus den Töchtern der Leibeigenen und Bauern wurde, welche die Gutsherren nach Lust und Laune gebrauchten. Was für Kinder es waren, die aus einem solchen Gewaltakt entstanden. Heimatlose wie Jorina, die weder zu den Bauern noch zu den Eheleuten gehörte, der man aber ansah, dass sie von edler Herkunft war. Kein Mensch mit Verstand würde sie mit diesem Antlitz für eine Bauerntochter halten. Zudem besaß sie den natürlichen Stolz und die Haltung edler Rasse, allein, was nutzte es ihr?
    Jorina beobachtete, wie er grübelnd die dichten Brauen zusammenzog und dann den Blick senkte. Sie hätte gerne gewusst, weshalb er so lange schwieg. Aber

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