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Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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wie ein Mantel umgab. Stille blieb zurück. Eine Stille, in der sie das Schlagen ihres eigenen Herzens wie das Dröhnen einer Trommel vernahm.
    Ohne dass es ihr bewusst wurde, umspannten ihre Hände mit aller Kraft das Mauerstück vor ihr. Erst als einer ihrer Nägel unter der Belastung splitternd brach, zuckte sie zusammen. Doch das Bild des Reitertrupps erschien gleich wieder vor ihrem Auge. Ein halbes Dutzend schwerbewaffnete Männer, die einen anderen umgaben, der eigenartig schwankend im Sattel saß. Weil er mit gefesselten Händen die Zügel nicht halten konnte? Hatte sie soeben mit angesehen, wie Raoul de Nadier St. Cado verließ?
    Natürlich, weshalb sonst hätte ihr der Herzog anempfohlen, einen Spaziergang auf den Wällen zu machen? Jorina strich sich mit zitternden Fingern eine Haarsträhne aus der Stirn und stieß den angehaltenen Atem aus. Er ritt fort. Sie spürte es. Es war, als ob ihr Herz jetzt müder und langsamer schlüge, als ob das Blut schwerer durch ihren Körper pulsierte. Es war vorbei, sie hatte ihn gerettet und gleichzeitig für immer verloren.
    Jetzt war es an ihr, die Schuld zu bezahlen. Sie bedauerte keineswegs den Verlust des kostbaren Steines, den sie ohnehin nie als ihr Eigentum angesehen hatte. Was sie unverhofft bedrückte, war das Wissen, dass Mutter Elissa mit ihrem Handeln nicht einverstanden gewesen wäre. Sie hätte für keinen Mann der Erde eine solche Entscheidung getroffen.
    Aber was wusste die strenge Äbtissin schon von den Gefühlen, die Jorina zu dieser Handlung zwangen? Von der Liebe, die alles übertraf, was sie je empfunden hatte, von jenem Gefühl, das sie mit der Macht eines Blitzes getroffen hatte und dem sie alles unterordnete. Sogar das eigene Leben. Es war unwichtig geworden.
    Niemand störte sie, während sie mit brennenden Augen in die Ferne starrte. Nicht einmal der Mann, der im Halbrund des Einganges zur großen Halle auftauchte und nach der schmalen roten Gestalt auf den Zinnen suchte. Das Rasseln der hochgehenden Zugbrücke entlockte ihm ein grimmiges Lächeln. Mochte sie noch so lange dort oben stehen, sie konnte ihm und seinen Fragen nicht mehr entkommen.
    Erst als die Kälte Jorina in eine Eissäule verwandelt hatte, wandte sie sich ab und lief die steinerne Rampe in den Burghof hinunter. Sie blieb einen Moment stehen, als müsse sie sich erst orientieren. Sie kam sich seltsam hilflos und verloren vor, weil ihr plötzlich klar wurde, dass alles auf eine endgültige Entscheidung zutrieb.
    Wenn Paskal Cocherel den Jade-Stern in seinen groben Fingern hatte und sich tatsächlich scheute, sie zu töten, würde sie weiterleben müssen. Allein. Irgendwo. Wo? Wie? Und warum?
    »Nun, hast du deinem Seigneur nachgewinkt?« Maés heisere Stimme riss sie aus ihren trüben Gedanken. Einen Korb mit den letzten Äpfeln aus dem Obstgarten auf der Hüfte, kam sie am Aufgang vorbei und konnte der Versuchung nicht widerstehen, die verhasste Neue ein wenig zu ärgern. Nicht dass sie sich nach den Aufmerksamkeiten Cocherels sehnte, aber die Tatsache, dass Jorina kaum noch aus seinem Gemach kam, hatte ihrem, Maés, Einfluss in der Burg schweren Schaden zugefügt. Sie war nicht länger so eine Art Herrin über die anderen, und das ging ihr gewaltig gegen den Strich.
    »Er ist nicht mein Seigneur«, widersprach Jorina nur der Form halber.
    »Sie sagen, er lässt ihn laufen, weil du es verlangt hast!« Wie üblich war Maé über jeden noch so geheimen Klatsch informiert.
    »Was kümmert’s dich?« wich Jorina aus.
    »Bist du ihm dafür um den Bart gegangen?« beharrte Maé auf ihrem Thema. Sie konnte der kleinlichen Rache nicht widerstehen. »Lass dir eines sagen, meine hochnäsige Schöne, er hat dich aufs Kreuz gelegt!«
    »Wie meinst du das?«
    Durch Jorinas Kopf schossen tausend Bedenken auf einmal, und am Ende blieb nur eine schreckliche Überlegung. Hatte er doch den Befehl gegeben, den Seigneur zu töten, sobald sie sich davon überzeugt hatte, dass Cocherel sein Versprechen gehalten hatte?
    »Sie bringen ihn nach Rennes zu Jean de Montfort!« Maé beugte sich vertraulich zu Jorina und hüllte sie in eine erstickende Mischung aus Schweiß und Apfelduft. »Man sagt, es ist ein hoher Preis auf seinen Kopf ausgesetzt. Wer ihn dem Herzog ausliefert, dem winkt eine reiche Belohnung. Der Herr von Montfort schäumt vor Wut über den verräterischen Ritter und lastet ihm den Tod des edlen Herrn von Blois an! In Rennes wartet der Henker auf ihn!«
    Jorina starrte die üppige

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