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Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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halb verhungert, so jämmerlich, wie du aussiehst. Komm, versuche einen Löffel von dieser Suppe, sie wird dir guttun!«
    Jorina öffnete den Mund, aber sie vermochte kaum einen Löffel voll Flüssigkeit zu schlucken. Ihre Kehle brannte wie Feuer, und die gute Frau, die sich um sie bemühte, verschwamm vor ihren Augen. Mit einem Schlag war es ihr nicht mehr kalt, sondern schrecklich heiß. Das Hemd klebte an ihrem Körper, und ein Hustenanfall schüttelte sie so schmerzhaft, dass sie nur noch zerplatzende Funken vor ihren Augen sah.
    »Das hab’ ich mir fast gedacht!« Die Stimme rückte wieder in die Ferne. »Es wär’ ja auch ein Wunder gewesen, wenn du dir nicht zumindest eine schlimme Erkältung geholt hättest. Balbine, sieh nach, ob du in der Küche heißes Schmalz bekommst, wir müssen ihr Brustwickel machen, und vielleicht etwas Gewürzwein mit Ei ...«
    Jorina schloss die Lider. Sie zitterte und glühte gleichzeitig. In einem Moment bebte sie vor Kälte und im nächsten vor Feuer. Sie starb. Sie starb, ohne Raoul noch einmal gesehen zu haben, ohne für seine Ehre und Unschuld Zeugnis ablegen zu können. Ihre Bemühungen waren umsonst gewesen, sie hatte versagt!
    Sie kämpfte nicht länger gegen die tiefe Schwärze an, die sie fortzog, die sich wie erstickendes Tuch um sie legte. Wozu sich länger wehren, es war doch ohnehin alles verloren.
    Jorina hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als sie die Augen endlich bei vollem Bewusstsein öffnete und um sich sah. Sie lag in einem Alkoven, dessen Vorhänge bis auf eine Seite ringsum geschlossen waren. Federgefüllte weiche Kissen, warme Decken und wohlige Wärme umgaben sie von allen Seiten.
    Das Bild, das sich ihr an der offenen Alkovenseite bot, schien direkt aus einem Traum zu kommen. Eine behaglich eingerichtete Wohnkammer, deren schwere Deckenbalken meisterlich geschnitzt waren. Darunter zwei kleine rechteckige Fenster, deren Rahmen nicht mit Läden oder Haut, sondern mit kleinen Glasrauten ausgefüllt waren. Sie filterten das milchige Tageslicht in weiße und grüne Flecken, die sich auf den polierten Bodenbrettern spiegelten. Inmitten dieser Lichtpunkte stand ein gepolsterter Stuhl mit breiten Armlehnen und einem besticktem Kissen. Daneben befand sich ein kleines rundes Tischchen, auf dem eine mächtige Stundenkerze stand, die jedoch um diese Tageszeit nicht brannte.
    Aus einer Ecke, die Jorina nicht einsehen konnte, drang das leise Knistern und Knacken eines wohlversorgten Kaminfeuers, und irgendwo außerhalb dieses Raumes zeterte eine Frauenstimme in wütendem Protest gegen den brummigen Bass eines Mannes an.
    »Heilige Anna, wo bin ich?« wisperte Jorina heiser und erschrak vor dem fremden, rauhen Klang ihrer eigenen Worte.
    Sie erinnerte sich an schreckliche Halsschmerzen, an einen pochenden Kopf und das Gefühl, bei lebendigem Leib verbrannt zu werden. Aber ihr Körper schien völlig unversehrt. Er steckte in einen sauberen, fein genähten Leinenhemd, dessen bauschig gebundene Ärmel an der Kante bunt bestickt waren und dessen gedrehte Halskordel aus Seidenfäden zu bestehen schien. Es duftete nach Lavendel und kratzte nirgendwo auf der Haut.
    »Du bist wach? Dem Himmel sei Dank, dann ist das Fieber endlich gebrochen!«
    Jorina starrte die Frau an, die plötzlich in dem Ausschnitt zwischen den offenen Vorhängen erschien. Kaum größer als ein Kind, mit einer Figur, die in pelzgeschmückten, prächtigen Kleidern fast versank, und einem winzigen faltigen Gesicht unter der schneeweißen Spitzenhaube der wohlhabenden Bürgerin. Die ausgeprägten dunklen Brauen hoben sich zu einem befremdlichen Dreieck über der scharfen kleinen Nase und den flinken, schwarzen Mäuseaugen. Es war ein zeitloses, staunend fröhliches Koboldantlitz, das Jorina dazu brachte, das Lächeln zu erwidern, zu dem die schmalen Lippen sich verzogen.
    »Verzeiht ... aber wo bin ich?« wisperte sie und unternahm einen vergeblichen Versuch, sich aufzurichten.
    »Schön liegen bleiben«, befahl die kleine Dame und drückte Jorinas Schultern in die Kissen zurück. »Du hast auf Leben und Tod gelegen, Kindchen! Es ist ein Wunder, dass wir dich bei uns behalten konnten! Vermutlich bist du schwach wie ein neugeborenes Kätzchen und hungrig wie ein Wolf im Hochwinter. Ich werde Balbine Bescheid geben, warte einen Moment ...«
    Mit flatternden Haubenflügeln und wehenden Röcken wirbelte der Kobold zur Tür, und Jorina hörte die energischen Befehle, welche sie der unbekannten

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