Jorina – Die Jade-Hexe
Balbine erteilte. Es stimmte, sie hatte Hunger und ihre Kehle fühlte sich so trocken wie eine Sandgrube an, aber noch dringlicher wollte sie wissen, wo sie war und was sich ereignet hatte. Sosehr sie sich auch den Kopf zermarterte, es wollte ihr nichts einfallen, was diese Rätsel löste.
Ungeduldig erwartete sie die Rückkehr der Frau und wurde glücklicherweise nicht lange auf die Folter gespannt. Sie landete wie ein prächtig glänzender Rabe auf ihrer Bettkante und umfasste die schmalen Finger Jorinas voller Zuneigung.
»Willst du mir nicht deinen Namen sagen, Kind?« erkundigte sie sich sanft.
»Ich ...« Jorina runzelte die Stirn und versuchte die flüchtigen Empfindungen und Gedanken festzuhalten, die so zusammenhanglos durch ihren Kopf wirbelten. »Jorina ... glaube ich ...«
»Du glaubst?« Der freundliche Rabe gab ein verblüfftes: »Tststs!« von sich und legte den Kopf mit der Haube gefährlich schief. »Heißt das, du kannst es nicht genau sagen oder du kannst dich nicht erinnern?«
»Ich weiß gar nichts«, brach es aus Jorina heraus. Sie konnte die Tatsachen nicht länger leugnen. Jetzt, wo das schreckliche Pochen hinter ihren Schläfen verschwunden war und nur noch entsetzliche Schwäche zurückblieb, wusste sie nichts. »Ich versuche mich zu erinnern, aber da ist nur Schmerz. Kälte. Angst. Dunkelheit ...«
»Schscht! Nicht aufregen, derlei beobachtet man oft nach einem schweren Fieber. Du wirst dich von selbst entsinnen, wenn du wieder gesund bist. Fürs erste befindest du dich in Sicherheit, und diese mürrische Person dort ist meine Magd Balbine. Sie bringt dir zu essen und zu trinken und unterstützt mich bei deiner Pflege!«
Balbine, die ebenso groß und schwerfällig wirkte wie ihre Herrin klein und leicht, hatte in der Tat den missbilligenden Gesichtsausdruck eines alten Hofhundes, aber sie schien ihrer Herrin ergeben zu sein. Sie quittierte ihre Beschreibung mit einem verächtlichen Brummen und stellte das beladene Tablett auf einen Tisch neben Jorinas Lager. Danach breitete sie ein makellos weißes Leinentuch unter Jorinas Kinn aus und reichte dem Kobold eine Suppenschale mit einem kostbaren silbernen Löffel.
»Nun mach den Mund auf, Kindchen!« kommandierte die kleine Frau und begann, nachdem sie die Wärme der Suppe geprüft hatte, Jorina mit einer kräftigen Brühe zu füttern, in der jene nicht nur die Spuren eines verquirlten Eis schmeckte, sondern auch schieres Ochsenmark. Gesättigt und erschöpft merkte sie nicht einmal mehr, dass sie übergangslos wieder in Schlaf fiel.
»Das ist gut«, stellte die Hausherrin zufrieden fest und zupfte die Bettdecke sorgsam über die schmalen Schultern der Kranken. »Ich wusste, dass sie wieder gesund wird. Der Himmel schenkt mir nicht meine Tochter zurück, um sie mir gleich danach wieder zu nehmen.«
»Traut dem Himmel nicht zu viel zu«, warnte die Magd Balbine. »Ihr wisst ja nicht einmal, wer das Mädchen ist und woher sie kommt!«
»Du hast ihre Kleider gesehen, Balbine. Einfaches, selbst gewebtes Bauerntuch, lang getragen, aber bis auf den Reisestaub erstaunlich sauber. Und dann diese Züge, sieh sie dir an. Fein gemeißelt, wie die Statuen am Portal von Saint Sauveur. Sie hat edles Blut, das kann jeder erkennen, aber wie es scheint, gibt es keine Menschenseele, die sich um das arme Ding sorgt.«
»Es fragt sich, ob das arme Ding Euch diese übertriebene Fürsorge danken wird! Ganz zu schweigen von Eurem Gemahl ...«
»Was bist du nur für ein brummiges Geschöpf, Balbine! Manchmal könnte man meinen, du tust dich mit Maître Joseph zusammen, um meine arme Geduld bis an die Grenze des Möglichen zu strapazieren.«
»Ich bete zu Gott, dass Euch das Mädchen Eure Nächstenliebe lohnt, Dame Rose!«
»Der liebe Gott lohnt alles, was wir aus reinem Herzen tun, Balbine!« Wie üblich behielt die muntere Dame des Hauses das letzte Wort.
Nach und nach erfuhr auch Jorina Einzelheiten über den Haushalt, in den sie durch ein glückliches Geschick verschlagen worden war. Dame Rose war die ehrenwerte Gemahlin von Maître Joseph Otage, seines Zeichens Tuchhändler und Ratsherr der Stadt Rennes. Maître Joseph und seine Dame hatten sie halb ohnmächtig und fiebernd am Straßenrand eine halbe Tagesreise vor Malestroit gefunden.
»Keiner von uns allen hat auch nur einen Sou für dein Leben gegeben«, plauderte Dame Rose, während sie um Jorina herumflatterte und mit flinken Händen Decken zurechtzupfte, Kissen aufplusterte und sich den
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