Josefibichl
er wohl versagt, als er den Hartinger laufen ließ. Zumindest ließ dieser aufgeblasene Schnösel von LKA-Hengst, dieser nassforsche Schneider mit seinem lässigen, aber teuren Freizeitlook, keinen Zweifel daran, dass er Bernbacher für einen Versager und dessen gesamte Truppe für Hinterwäldler hielt, mit denen man vielleicht Eierdiebe fangen, aber nicht in einem symbolträchtigen Mordfall ermitteln konnte. Aber schaun wir mal, wie weit der LKA-Wichtl hier ohne uns als Bodentruppe kommt, dachte Bernbacher, während er seinen silberfarbenen Passat auf dem Bedienstetenparkplatz neben der Polizeiinspektion abschloss.
Als er sein Büro im ersten Stock betrat, klingelte bereits das Telefon. Bernbacher warf die schmale Aktentasche auf den Chefsessel und nahm im Stehen den Hörer ab.
»Polizeiinspektion Garmisch-Partenkirchen, Polizeihauptkommissar Ludwig Bernbacher«, meldete er sich korrekt. An diesem Tag sollte alles hundertprozentig funktionieren.
»Passt scho, Ludwig, ich weiß schon, wo ich anruf«, nahm ihm der Anrufer den frischen Wind aus den Segeln.
Die blasierte Stimme am anderen Ende der Leitung kannte Bernbacher nur zu gut. Bürgermeister Hans Meier – Hans Wilhelm Meier – war schon Bernbachers Schulkamerad gewesen, und beide hatten den Wehrdienst gemeinsam bei den Gebirgsjägern im benachbarten Mittenwald abgeleistet. Auf gefühlt tausend Versammlungen der ehemals staatstragenden konservativen Partei, deren Mitglied Bernbacher selbstredend war, hatte er den ewigen Spitzenkandidaten Meier reden gehört.
»Hansi, was magst um die Uhrzeit?« Bernbacher tat überrascht. Als wüsste er nicht genau, dass der Bürgermeister, der mittlerweile die dritte Legislaturperiode mit der in Bayern nicht mehr überall üblichen Zweidrittelmehrheit regierte, sein Landl als persönliches Staatsgebiet betrachtete und einen umfassenden Report der Geschehnisse erwartete.
Meier bellte nur ein »Was ist da los?« in die Leitung.
»Was soll schon los sein, Hansi?«, entgegnete Bernbacher, um seine Antwort hinauszuzögern. »Du weißt doch eh schon alles, wie ich dich kenne.«
»Ich will‘s aber von dir, dem leitenden Polizisten in meinem Landl, wissen«, quälte ihn der Bürgermeister.
Leitender Polizist. Da war sich Bernbacher gar nicht mehr so sicher. Dieser LKA-Schneider hatte das Ruder ziemlich fest in der Hand. Nur das dem Meier Hansi gegenüber zuzugeben wäre Bernbacher im Traum nicht eingefallen.
»Offenbar erdrosselter Mönch aus St. Anton am Josefsbichl gefunden. Ermittlungen laufen, schwierige Spurenlage. Obduktionsbericht liegt noch nicht vor. LKA unterstützt unsere Ermittlungen. Alles geht seinen ordentlichen Weg«, beschönigte Bernbacher die Lage. Die Wahrheit wäre gewesen: Wir haben keine Ahnung, das LKA behandelt uns wie Polizeischüler, den Tatverdächtigen habe ich laufen lassen. Aber sonst alles im Griff, mein Bürgermeister!
Bürgermeister Meier hatte sich über Nacht mittels seiner diversen Quellen kundig gemacht. Darunter waren der eine oder andere subalterne Beamte der Polizeiinspektion, aber auch Parteigranden aus München, die wiederum gut mit den Landesbehörden, darunter dem LKA, vernetzt waren. Er schonte seinen alten Spezi Bernbacher mit seinem Wissen nicht.
»Ein Schmarrn, › ordentlicher Weg ‹ , Bernbacher. Den Hartinger habts ihr gehabt und laufen lassen. Punkt eins. Punkt zwei: Die Süddeutsche in München verbreitet bereits weltweit ihre Version der Geschichte, und in der schauen wir – schaust du! – gar nicht gut aus. Punkt drei: So eine fiese Meute von Boulevardjournalisten hat sich im Ort eingenistet und fragt Gott und die Welt über das Kloster, den Mönch, den Abt, den Hartinger, dich und mich und wer weiß wen aus. Nicht gut für Garmisch-Partenkirchen, Bernbacher! Gar nicht gut!«
Hans Wilhelm Meiers Sorge um Garmisch-Partenkirchens Zukunft war eng mit der um seine eigene verknüpft. Ein halbes Jahr vor seiner dritten Wiederwahl konnte er einen Skandal am Ort nicht brauchen. Es sollte seine letzte Wahl zum Bürgermeister Garmisch-Partenkirchens werden. Höhere Weihen erwarteten ihn. Der Bayerische Landtag brauchte gestandene Lokalpolitiker, die auch ein bisschen in der Weltgeschichte herumgekommen waren und internationale Luft geschnuppert hatten. Als Gastgeber von Heerscharen von Touristen, als Botschafter seines Landls auf diversen Tourismusmessen, als Gesprächspartner von politischen Gästen aus dem In – und Ausland hatte Hans W. Meier jahrzehntelange Erfahrung
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