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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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nach Plan, bis zwei Wochen nach ihrer Abreise Maria dem Kaplan direkt nach der Sonntagsmesse auf der Treppe der Partenkirchner Pfarrkirche Maria Himmelfahrt auflauerte. Sie verfluchte ihn, wünschte ihm Krankheit und Tod und verschwand durch die Menge der Gläubigen, die den Kirchplatz und die Ludwigstraße bevölkerten. Nur wenige Einheimische hatten die Szene mitbekommen, und die, die es taten, hatten sie nach der sonntäglichen Einkehr in den Gasthöfen rechts und links der Kirche bald wieder vergessen. Der Vorfall war vielleicht noch Thema am einen oder anderen Mittagstisch. Doch nach dem Schweinsbraten war Maria aus dem kollektiven Gedächtnis der Marktgemeinde entschwunden.
    Gefunden wurde sie drei Monate später im Walchensee, der seine Wasserleichen, ob verunglückte Kaltwassertaucher oder unglückliche Selbstmörderinnen, nur sehr ungern wieder hergab.
    Genaueres zum Tod der unbekannten jungen Frau konnte nie festgestellt werden. Außer, dass sie wohl »neun bis sechzehn Wochen«, wie der Obduktionsbericht damals festhielt, im Wasser gelegen haben musste. Die Leiche war zu großen Teilen skelettiert. Das Fleisch von Fischen – im Walchensee gab es riesige Huchen und Hechte – gefressen. Da es keine Vermisstenanzeige gab, weder von der Caritas Garmisch-Partenkirchen, bei der Maria ja ordentlich gekündigt hatte, und schon gar nicht von der Pfarrgemeinde Partenkirchen, wurde der Fall der »Unbekannten Toten im Walchensee« schnell zu den Akten gelegt. Da die Leiche keine Reste von Tauchausrüstung getragen hatte, war wohl von einem Selbstmord auszugehen. Selbstverständlich konnte auch ein Unfall oder ein Tötungsdelikt nicht ausgeschlossen werden. Aber wo sollte die Polizei anfangen zu ermitteln?
    Der Einzige, der sich einen Reim darauf machen konnte, war der Caritas-Zivildienstleistende Karl-Heinz Hartinger gewesen. Er hatte durchaus etwas von dem Verhältnis der Schwester zum Kaplan mitbekommen. Der Besitzer des direkt neben der Kirche gelegenen Kiosks hatte ihm nämlich beim montäglichen Kauf des Spiegel von der Szene erzählt, die sich am Sonntag zuvor auf der Kirchentreppe abgespielt hatte, und schon da war Hartinger klar geworden, warum die junge Schwester einige Wochen zuvor plötzlich abgereist war. Als drei Monate später dann die Sache mit der »Unbekannten Toten im Walchensee« in einem Vierzeiler im Tagblatt erwähnt wurde, war ihm klar: Das musste Maria sein.
    Hartinger lief Sturm. Er informierte die Polizei, den Pfarrgemeinderat Partenkirchen, die Caritas-Chefin. Von der wurde er mit Hinweis auf das soldatengleiche Verhältnis eines Zivildienstleistenden zu seiner Zivildienststelle zum Schweigen verurteilt. Die Garmisch-Partenkirchner Polizei beschied ihm, dass sich die Kollegen aus Kochel, die für den Walchensee zuständig waren, um die Tote kümmern würden. Die braven Bürger des Pfarrgemeinderats ließen nichts von sich hören.
    Hartinger drehte durch. Er zerstach in einer Nacht – nach acht Halben Bier – den Mitgliedern des Pfarrgemeinderats die Autoreifen. Den Käfer des Kaplans übergoss er mit Feuerzeugbenzin und zündete ihn an.
    Alle wussten, wer Reifen und Käfer auf dem Gewissen hatte. Doch auch er als Täter wurde von der Partenkirchner Omerà geschützt. Die Burschen vom Partenkirchner Trachtenverein schnappten ihn aufgrund seines am Tatort verlorenen Zippos. Sie übergaben ihn nicht der Polizei, sondern erklärten seinen Zivildienst für beendet und verwiesen ihn mit der Ermahnung, sich nie wieder in der Gemeinde blicken zu lassen, des Ortes. Mit Knüppeln und Fäusten verliehen sie ihrer Forderung Nachdruck.
    All dies wusste Abt Gregorius. Außer ihm lebten nur noch wenige der Alten. Als Erster war wenige Jahre nach den Ereignissen der Kaplan an Nierenversagen gestorben.
    Und nach all der Zeit saß der Dissident Hartinger auf einmal wieder vor ihm. Seine Pflicht, das Kloster zu schützen, und der gegensätzliche Drang, dem Hartinger diesmal Gerechtigkeit – zumindest ein Mehr an Gerechtigkeit – widerfahren zu lassen, zerrissen ihn schier. Es wäre die schnellste Lösung gewesen, den Flüchtigen dem Gesetz auszuliefern. Denn der hatte seine Situation richtig eingeschätzt: Falls nicht eindeutige Beweise für die Schuld eines anderen gefunden würden, war Hartinger der Prozess sicher. Ein Indizienprozess zwar, aber bei der Interessenlage der Mächtigen in Bayern, die so kurz vor der Vergabe der Olympischen Spiele 2018 kein weiteres Geschrei in Garmisch-Partenkirchen

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