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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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nur die allerbesten Freunde Claudia Schmidtheinrich nennen. Entfernteren Bekannten oder gar Vorgesetzten ließ sie das nur in Ausnahmefällen durchgehen, und eigentlich auch nur dann, wenn es wirklich schnell gehen musste und für drei Silben – »Clau-di-a« – oder gar für vier – »Frau Schmidt-hein-rich« – keine Zeit war. Wobei sie und Schneider sich in den vergangenen zwei Jahren der engen beruflichen Zusammenarbeit auch menschlich recht nahegekommen waren. Ohne, dass da allerdings jemals etwas gewesen wäre, was das Licht des Tages hätte scheuen müssen: Bei bis zu siebzig gemeinsamen Wochenstunden und einer Arbeit, die einen routinemäßig in die tiefsten menschlichen Abgründe blicken ließ – und nie Routine werden durfte –, gewöhnte man sich an den anderen. Schneider mit seinem Jugendlichkeitstick, seinen gestylten Klamotten und dem gegelten Haar war zudem überhaupt nicht ihr Fall. Sie stand mehr auf Männer, die wie Männer aussahen, sich so kleideten und so verhielten.
    Bis sie mit wehendem Rock auf den Stilettos den Dienst-BMW erreichte, genügte die Zeit gerade für diesen Gedanken über Männer und welchen Typ davon sie bevorzugte.
    »Wo brennt‘s, Schniedel?« Claudia Schmidtheinrich wusste, dass auch sie Schneiders Spitznamen nur als Retoure verwenden durfte. Zwar kannten den alle Kollegen im LKA, aber der wurde in seiner Gegenwart nie ausgesprochen, nicht mal, wenn er sich nur auf derselben Etage befand. Normalerweise musste sie sich immer gehörig fremdschämen, wenn sie ihn hörte.
    »Wo‘s brennt?«, wiederholte Schneider mit sarkastischem Unterton. »In diesem ganzen Talkessel brennt‘s, wenn mich nicht alles täuscht. Und zwar lichterloh!«
    Noch während er sprach, startete er den Motor und stieß rückwärts aus der Parklücke des Hotelparkplatzes, um anschließend mit Karacho auf die Hauptstraße in Richtung Kloster St. Anton zu brettern.
    »Wir sind die Polizei, nicht die Feuerwehr!«, ermahnte Claudia Schmidtheinrich ihren Vorgesetzten zu ruhigerer Fahrt, obgleich sie wusste, dass das bei ihm vergebens war. Schnell schnallte sie sich an, dann klammerte sie sich mit der rechten Hand am Haltegriff über der Beifahrertür fest.
    Die Fahrt entlang der offiziellen Strecke, die das Navi in Schneiders BMW vorgab, führte im weiten Bogen aus Partenkirchen hinaus und über die Wankbahn zum Kloster. Hätte Schneider bereits die Direttissima über die Sonnenbergstraße und den Antoniusbrunnen gekannt, hätten sie bei seinem gemeingefährlichen innerstädtischen Tempo nur drei statt fünfeinhalb Minuten zu ihrem Fahrtziel gebraucht. Und er hätte dann seine Meinung über die Vorgänge im Werdenfelser Land nicht seiner Mitarbeiterin in Gänze referieren können. So aber konnte er, mit kurzen Denkpausen durchsetzt, zwischen Lenken und Schalten und Ein – und Ausschalten der Orgel zusammenfassen und gleich Aufgaben an sie delegieren.
    »Der Bürgermeister war vorhin bei mir. Hier stinkt irgendwas gewaltig. Er hat innerhalb einer Minute zwei seiner Mitmenschen belastet. Den Hartinger natürlich und einen Landbesitzer, dem der Bergwald rund um das Kloster gehört. Aber nicht, um die Sache möglichst schnell erledigt und seine Luft in seinem schönen Ort wieder sauber zu bekommen. Da steckt mehr dahinter. Geh du nachher gleich ins Archiv vom dem Lokalblatt hier, und such nach dieser Landbesitzergeschichte. Such nach allem, was das Kloster betrifft. Such nach dem Hartinger. Such nach dem Bürgermeister. Frag den Chefredakteur. Oder besser den Redakteur, der hier schon am längsten berichtet.«
    Mit den letzten Worten passierten sie den Parkplatz des Berggasthofs Panorama. Dann waren sie in St. Anton angekommen. Claudia Schmidtheinrich klappte den Notizblock zu und folgte Schneider. An dem großen Holztor zum Hof betätigte Schneider den Klopfer aus schwerem Messing, der zwei zum Gebet gefaltete Hände darstellte.
    Mit einem »Grüß Gott in St. Anton« wurden sie eingelassen. »Folgen Sie mir bitte.«
    Bernd Schneider und Claudia Schmidtheinrich taten, wie ihnen geheißen, nachdem Abt Gregorius das Portal seines kleinen Klosters geöffnet hatte. Sie folgten ihm über verwinkelte Stiegen in sein Arbeitszimmer.
    »Herrschaften«, hob der Abt an, als er sich hinter seinen kleinen und akribisch aufgeräumten Schreibtisch setzte, »etwas Abscheuliches ist gestern passiert. Ich wünsche mir, dass der Mord an meinem Mitbruder so schnell wie möglich aufgeklärt wird. Schonen Sie sich bitte nicht.

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