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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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Schonen Sie bitte vor allem mich nicht. Fragen Sie, was Sie fragen müssen. Alle Türen dieses Hauses stehen Ihnen offen und alle Akten zu Ihrer Verfügung.«
    Mit einer so ausdrücklichen Einladung, dieses Kloster auf den Kopf zu stellen, hatten die LKA-Beamten nicht gerechnet. Viel eher hatten sie erwartet, dass der Kirchenmann sein Kloster und seinen Orden abgeschottet hätte, um den Ruf beider zu schützen. Für den Fall, dass unschöne Tatsachen ans Licht kommen konnten. Mit Derartigem hatte man bei einem erdrosselten jungen Mönch durchaus zu rechnen.
    »Sie leben – Entschuldigung –, lebten hier allein mit Ihrem jungen Mitbruder?«, begann Bernd Schneider.
    »Nun, wir Franziskaner sterben leider aus. In Bad Tölz musste vor einigen Jahren das Franziskanerkloster geschlossen werden. In Deutschland gab es bislang vier Franziskanerprovinzen. Seit dem 1. Juli 2010, also seit gut drei Wochen, gibt es noch eine. Die kümmerlichen Reste haben fusioniert. Unser Kloster ist für bis zu zehn Brüder ausgelegt. Aber ich war schon jahrelang allein hier. Ich war sehr froh, als Bruder Engelbert vor zwei Jahren hierher versetzt wurde. Die Arbeit am Haus, aber auch die Verwaltung und dann natürlich die Seelsorge und die Gottesdienste – das alles ist für einen alten Mann nicht leicht«, erläuterte Abt Gregorius.
    »In zwei Jahren lernt man sich sicherlich recht gut kennen«, merkte Claudia Schmidtheinrich an, »zumal, wenn man auf so engem Raum zusammenlebt.«
    »Nun, ganz so eng ist es ja nicht. Wie gesagt, Platz für ein knappes Dutzend Mönche hätten wir. Aber Sie haben natürlich recht, man lernt sich in zwei Jahren ganz gut kennen. Wobei wir hier keineswegs eine Einsiedelei betreiben. Wir haben regen Besuch von Gläubigen in unseren Messen, wir nehmen die Beichte ab, und auch sonst kommen die Leute aus dem Ort gern zu uns. Darüber hinaus sind wir ein ordentlicher, wenn auch kleiner wirtschaftlicher Betrieb.«
    »Wie war er denn so, Ihr junger Mitbruder?«, fragte Schneider. »Als Mensch, meine ich.«
    »In sich gekehrt, aber nicht verschlossen. Ehrlich. Fleißig. Recht beliebt bei unseren Besuchern und den Gläubigen.«
    »Was waren seine Aufgaben hier – auf der geistlichen wie auf der wirtschaftlichen Seite?«
    »Wir teilten uns die klösterlichen Aufgaben – bereits nach kurzer Eingewöhnungszeit ziemlich genau hälftig –, und die weltlichen Aufgaben auch. Wobei«, der alte Abt zeigte ein gutmütiges Lächeln, »er viel akribischer war als ich und zum Beispiel den bescheidenen Grundbesitz unseres Klosters, nämlich die uns hier umgebenden paar Hektar Wald, sehr genau verwaltete. Ich glaube, er kannte nach einem halben Jahr jeden Baum und auch seine lateinische Bezeichnung.«
    Gregorius hatte von sich aus das Gespräch dort hingelenkt, wo Schneider es haben wollte. »Gab es in dieser Beziehung auch Ärger? Mit Nachbarn oder anderen Waldnutzern?«
    »Nun, es ist in Gegenden wie dieser hier wohl jahrhundertealter Brauch, dass Grundstücksgrenzen ab und an – sagen wir – kontrovers diskutiert werden.« Gregorius versuchte, einen möglichst abgeklärten Eindruck zu machen. »Und dieser Brauch ging auch nicht an uns vorüber.«
    »Konkret?«, hakte Claudia Schmidtheinrich nach.
    Gregorius antwortete ihr nicht. Stattdessen blieb sein Blick auf seinen männlichen Gesprächspartner gerichtet, und er fuhr mit seinen Erläuterungen über das hiesige Brauchtum der Land – und Waldbesitzer fort: »Wissen Sie, wollte man all die Grenzsteinversetzungen festhalten, die es hier seit Generationen gab und immer geben wird, müsste das hiesige Katasteramt die Hälfte des Landkreises neu kartieren lassen.«
    »Interessant«, beschied ihm Schneider und versuchte die schmidtheinrichsche Frage erneut zu stellen, ohne ihr drängelndes »Konkret?« zu wiederholen. »Gab es da in jüngerer Zeit einen Fall, an den Sie sich im Detail erinnern?«
    »Nun«, holte der Abt aus, »in der Tat kündigte mir Bruder Engelbert vor ungefähr zwei Monaten an, er wolle unsere schriftlich festgehaltenen Grundstücksgrenzen mit den Grenzsteinen, die unsere Liegenschaften markieren, vergleichen.«
    »Und?«, fragten Schneider und Schmidtheinrich gleichzeitig.
    »Und? Und nichts. Ich habe das zur Kenntnis genommen und ihn machen lassen. Ein Ergebnis hat er mir bis gestern leider nicht geliefert. Und erst Ihre Fragen heute bringen dieses Thema überhaupt wieder in meine Erinnerung zurück.«
    Mehr war aus dem Abt zu dieser Sache zunächst nicht

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