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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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ein peinlicher Spitzname. Würden sie sich so nennen, wenn sie zusammen in einer Wohnung leben würden und ein Paar wären? Da wäre ja »Schatzi« allemal besser.
    Sie ertappte sich bei dem Gedanken, wie sie beide in einer lichtdurchfluteten Dachgeschosswohnung am Sonntagmorgen aufwachten, sich liebten, sie ihm zusah, wie er aus ihrem gemeinsamen Bett stieg und mit seinem knackigen Hintern hinüber ins Bad ging, duschte, sie noch einmal küsste und anschließend in einer Designerküche verschwand, um das Frühstück zu bereiten.
    Verdammt, stoppte sie diesen Tagtraum, war sie einfach nur ein verzweifelter Single oder in diesen Bernd Schneider verknallt? Hatte sie deshalb die Top-Polizisten-Karriere so lange verfolgt mit all den Entbehrungen, die Nacht-und Wochenendschichten mit sich brachten, mit all dem grausamen Unrat, der sich in ihrem Gehirn angesammelt hatte? Dafür, dass nach einigen wenigen romantischen Jahren der Zweisamkeit mit Dachgeschosswohnung, Sex am Morgen und Designerküche sich dann doch Kinder einstellen würden? Und das mit einem Mann, der nur mit vorgehaltener Dienstwaffe zum Windelnwechseln zu bewegen war und weiterhin Nacht – und Wochenendschichten fahren würde, als wäre nichts geschehen?
    Himmel, wo dachte sie denn jetzt hin? Er hatte sie nur einmal ein bisschen mehr als kollegial angesehen als sonst, und sie dachte gleich an Frühstück, Dachgeschoss und Kinder? War sie derart überständig?
    Beinahe verpasste sie die Ausfahrt Sindelsdorf, die laut Navi der kürzeste Weg nach Bad Tölz war. Im letzten Moment stieg sie auf die Bremse, nahm die enge Rampe mit einem leichten Reifenquietschen und grinste auf einmal in sich hinein. Sie war schon eine Powerfrau. Und wenn der Schneider eine wie sie wollte, musste er sich richtig Mühe geben. An den Hals würde sie sich ihm nicht werfen. Der müsste schon das volle Register ziehen mit Blumen und Einladungen in die richtigen Restaurants. Mit Türe-Aufhalten und Aus-dem-Mantel-Helfen – und anschließend mit getrennten Taxen nach Hause fahren. Zumindest das erste Mal. Konnte dieser Ego-Shooter das überhaupt?
    Was, wenn sie es nie herausfinden würde, weil er sie nicht fragte, ob sie einmal ohne Diensthintergrund zum Essen gehen würden? Wenn er sich vielleicht nicht traute? Schlimmer: Wenn er vielleicht sogar daran dachte, aber es vorzog, mit den jüngeren und leichter zu handhabenden Püppchen, die sie ihm als Bettgenossinnen zutraute, sein einfaches Spiel weiterzuspielen? Dieser Peter Pan, dieser kleine Junge, der nie erwachsen werden wollte!, schimpfte sie in Gedanken. Der mit seinen Markenklamotten. Wirkte stets, als wäre er frisch der GQ, dem Leitmedium der Metrosexuellen, entstiegen. Na klar bumste der mit Barbekanntschaften rum, das war doch viel einfacher, als einer richtigen Frau wie ihr den Hof zu machen. Dazu war er doch gar nicht Manns genug!
    Sie geriet richtig in Rage und erreichte Bad Tölz mit der inneren Sicherheit: Bernd Schneider und sie – nie, nie, nie würde das etwas werden! Sie lenkte den Audi mitten in die Tölzer Fußgängerzone, parkte direkt vor Cem‘s Internet Caffé und stieg aus dem klimagekühlten Automobil in die zwischen den Bürgerhäusern gespeicherte Hitze des Sommerabends.
    Sie musste kurz in ihrem Sturm auf das Internetcafe innehalten, denn nicht nur die Hitze versetzte ihr einen Schlag. Mit weitaus größerer Wucht stürzte die Erkenntnis aus dem weißblauen Sommerhimmel, dass sie in ihren Chef verknallt war.
    Erst als sie Bad Tölz wieder verlassen hatte, auf der Landstraße nach Lenggries, ging ihr auf, was ihr an dem Betreiber des Internetcafes so seltsam vorgekommen war. Natürlich. Der Mann hatte ein blasiertes Englisch gesprochen, das man wahrscheinlich als Oxford-Englisch bezeichnen konnte. Sie hatte ihn, noch ganz benommen von ihrem Erkentnisschock hinsichtlich ihres Verhältnisses zu ihrem Vorgesetzten, selbst auf Englisch angesprochen. Drei Sätze später war sie ins Deutsche gewechselt, was der Mann ebenfalls akzentfrei sprach.
    Jetzt, im Auto, ließ sie die Szene Revue passieren. War da ein hochgebildetes Sprachgenie so sehr im Leben gescheitert, dass es nur noch für ein Internetcafe reichte? Oder wieso beherrschte dieser Mann, der sich den Zielfahndern bereits als Mustafa Cem mit einem türkischen Pass ausweisen konnte, diese Sprachen so perfekt?
    Zum gesuchten Karl-Heinz Hartinger hatte der Mann jedenfalls nichts weiter beitragen können. Mit Fahrrad gekommen, kurz im Internet gesurft, mit

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