Josefibichl
Hals zu legen und mit aller Gewalt einige Minuten lang zuzuziehen, bis der andere tot war? Das einzige Strangulierwerkzeug, mit dem so etwas überhaupt denkbar war, war die Garrotte, das wusste Hartinger aus seiner Zeit als Polizeireporter. Wenn die einmal um den Hals lag und sich der Draht im Nacken überkreuzte, konnte auch ein alter Mann, der noch einigermaßen in Form war, so stark an den beiden meist aus Holzstücken gefertigten Griffen ziehen, dass kein Blut mehr durch die Halsschlagader des Opfers floss, was eine recht baldige Bewusstlosigkeit zur Folge hatte. Sank dieses dann in sich zusammen, war es nur noch eine Frage von ein oder zwei Minuten, bis der Sauerstoffmangel zum Tod des Opfers führte. Ja, die Garrotte war ein ziemlich praktisches Mordwerkzeug, auch für einen alten Mann.
»Willst du mir jetzt zeigen, was auf dem Computer ist?«, riss ihn Albert Frey aus seinen Gedanken.
Hartinger langte in seinen Rucksack und zog das handliche Gerät heraus, steckte das Ersatzladegerät an und klappte den Deckel des Rechners auf. Er drückte auf den Powerknopf, und als der Desktop mit einer Ansicht des Klosters St. Anton als Hintergrundbild aufschien, klickte Hartinger mit der rechten Maustaste auf den Startbutton und wählte den Explorer aus, mit dem man die auf der Festplatte abgespeicherten Ordner übersichtlich sortiert ansehen konnte. Er klickte in dem Verzeichnis weiter auf den Ordner mit dem Namen »GaPa_Geschichte« und öffnete damit einen langen Unterarm dieses Verzeichnisses.
Die Dokumente auf Engelberts Rechner waren logisch geordnet. Es gab einerseits eine streng chronologische Einteilung, die sich an den großen Einschnitten der Werdenfelser Geschichte und den jeweiligen Herren im »Goldenen Landl« orientierte. Diese Ordner umfassten von der Eisenzeit über die Herrschaft der Römer bis in die Neuzeit alle wichtigen Epochen. Der Ordner mit der Bezeichnung »Drittes Reich« hatte besonders viele Daten, wie man im Explorer ablesen konnte.
Neben dieser Ablage hatte Pater Engelbert aber auch die ihm wichtigen Komplexe vor allem der jüngeren Geschichte zusammengefasst und mit den Quellen in der chronologischen Sammlung verlinkt. Dieser Ordnerbaum hatte Namen wie »Handel und Verkehr«, »Tourismus« oder »Kunst und Kultur«, aber natürlich auch »Olympia 1936«.
Albert Frey staunte mit offenem Mund, dann flüsterte er: »Der hat das Gleiche gemacht wie ich.«
»Das habe ich mir auch gedacht, als ich das gesehen habe. Bruder Engelbert war wie Sie Hobby-Geschichtsforscher. Und er hat sich wohl sehr intensiv mit diesem Ort hier befasst.« Hartinger wollte sich auf die Zunge beißen, denn »Hobby-Geschichtsforscher« empfand Albert Frey sicher als Beleidigung. Er hatte während seiner gesamten Dienstzeit und erst recht nach seiner Pensionierung jeden Schnipsel Papier und jedes Bild, die er über Garmisch-Partenkirchen finden konnte, gesammelt und katalogisiert.
Frey starrte mit traurigen Augen auf den Bildschirm. »Wenn ich das gewusst hätte, dass es da einen jungen Menschen gibt, der meine Begeisterung teilt, meine Arbeit vielleicht sogar fortsetzen könnte. . .«
»Dann hätten Sie vielleicht mit ihm gemeinsam geforscht – und wären vielleicht jetzt ebenfalls tot«, gab Hartinger zu bedenken. »Ich glaube nämlich, dass der Mord etwas mit diesen Dateien hier auf dem Rechner zu tun hat.«
Frey blickte ihn nur fragend an.
»Erstens habe ich da ein Gefühl für so etwas entwickelt. Zweitens bin ich überzeugt, dass der Abt etwas davon weiß oder ahnt und mir deshalb das Gerät gegeben hat. Vielleicht will ich es auch glauben, weil die Alternative wäre, dass der Abt etwas mit dem Mord zu tun hat. Und bei allem Groll auf die katholische Kirche: Das wiederum will ich nicht glauben.«
»Glauben heißt nichts wissen, Karl-Heinz.« Albert Frey wurde lehrerhaft und deutete auf den kleinen Bildschirm. »Nur wissen heißt wissen. Und wissen bedeutet lesen und studieren.«
»Können Sie gern. Aber nur hier, das ist meine Bedingung. Dieser Rechner entscheidet für mich über Lebenslänglich oder Freispruch. Und er ist die Landkarte, die uns zum Mörder führt. Der Rechner bleibt hier, und Sie bitte auch, wenn Sie mir helfen wollen.«
Hartinger riskierte mit dieser bedingungslosen Ansage, dass Frey ihm daraufhin die Unterstützung verweigerte. Was, wenn Albert Frey ihm nun sagte, er möge bitte selbst die Daten auswerten, die in zahllosen Unterordnern und Unterunterordnern gespeichert waren. Er
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