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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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zwanzig Jahre nach dem Abitur waren viele abgewandert. Doch das Bohren in Bekanntschaften lohnte sich immer, das hatte der schnelle Lex in seinen Jahren als Reporter gelernt. Irgendwo war in nahezu jeder Biografie eine Story versteckt. Wenn nicht, musste einem derjenige schon leidtun, denn er war ein Langweiler, fand er. Eine solche Story, das hoffte er, würde ihn wieder nach Berlin zurückbringen. Vielleicht diese hier, vielleicht eine andere morgen oder übermorgen.
    Sie hatten sich zunächst im Gymnasium die Jahresberichte aus Hartingers letzten drei Schuljahren besorgt. Der Teilzeitsekretärin, die nachmittags allein die Stellung im Direktorat hielt, reichte die Begründung, es wäre zum Besten des ehemaligen Schülers und der Schule, wenn seine Freunde von damals ihn öffentlich verteidigten, und sie holte die drei A5-Broschüren aus dem Schularchiv.
    Während der Viertelstunde, in der die Angestellte im Keller nach den Jahresberichten kramte, sah sich Lex Peininger sehr genau im Schulsekretariat um.
    »Ein Skandal, wie schlampig hier mit persönlichen und behördlichen Daten umgegangen wird«, sagte er grinsend zu Susi Weinzierl, während er die Festplatte des Rechners auf seinen USB-Stick kopierte. Dann nahm er sich noch die Unterschriftenmappe des Schulleiters vor, die gerade in Vorbereitung war, und ging dessen ein – und ausgehende Post durch. Er fand darin nichts Verwertbares und ließ wenigstens einen Schulstempel mit dem bayerischen Rautenwappen in seiner Hosentasche verschwinden.
    Mit den Jahresberichten setzten sie sich in die der Schule gegenüberliegende Konditorei Kneitinger. Sie machten sich strukturiert an die Arbeit und googelten auf dem mitgebrachten Notebook jeden Namen auf den Listen der Klassen, die Hartinger besucht hatte, bevor sie die vielversprechendsten Kandidaten anriefen. Die dafür wirklich gute Zeit war jetzt, in den frühen Abendstunden, wenn die Leute auch zu Hause waren.
    Sie hatten bereits um sieben Uhr fünf ehemalige Mitschülerinnen und drei Mitschüler erreicht und sich zu einem Spontanbesuch angekündigt. Zehn Hausbesuche an einem Abend war für sie ein machbares Pensum; die beiden Kontakte, die noch fehlten, wollten sie von unterwegs aus dem Auto hersteilen.
    Bereits beim dritten Besuch wussten sie über Gonzo Hartingers wildes Schulleben Bescheid. Sie hatten herausgefunden, dass sich seine Eltern bereits hatten scheiden lassen, kurz nachdem er auf das Gymnasium gekommen war. Seine Mutter hatte Garmisch-Partenkirchen mit einem anderen Mann verlassen und sein Vater monatelang auf Montage gearbeitet. So wuchs der Junge bei seiner Großmutter auf, die mittlerweile gestorben war. Der Vater war irgendwann, allerdings erst nach Gonzo, weggezogen. Es gab also keine Familie mehr am Ort.
    Über die Umstände seines Weggangs wussten die Schulkameraden nicht viel zu berichten. Nur, dass es wohl mit einem brennenden Pfarrersauto zu tun gehabt hatte, aber man habe sich nach dem Abitur recht bald aus den Augen verloren. Man wusste, dass er in München bei der großen Zeitung beschäftigt gewesen war, die hier im Ort aber höchstens ein paar Zugereiste und Linke lasen. Und dass der Hartinger Gonzo den Mädchen nachgestellt hatte, »seit er ein Loch in den Schnee bieseln konnte«, wie sich einer der ehemaligen Mitschüler ausdrückte. Die beiden Reporter wussten, dass sich das in Hartingers Münchner Zeit nicht geändert hatte.
    Hellhörig wurden sie, als schließlich die vierte der besuchten Mitschülerinnen, eine Gabriele Hochstetter, verheiratet, Mutter von drei Kindern, Jodlerhaus mit Geranienkästen und goldenen, eine Bleieinfassung imitierenden aufgeklebten Fensterkreuzen, eine ganz neue Geschichte anriss.
    »Ja, der Hartinger Gonzo«, berichtete sie, nachdem sie alles gesagt hatte, was die anderen auch gesagt hatten, »der hat irgendwo ein Kind. Einen Buben, glaub ich. Jetzt warten s‘ mal, von wem hab ich das jetzt wieder? Mei, ist schon so lang her. Man hört ja auch so viel. Ich komm nicht drauf.«
    Lex Peininger hinterließ seine Karte wie bei den anderen auch, für den Fall, dass Frau Hochstetter über Nacht noch eine wichtige Information aus dem Langzeitgedächtnis rutschte. Er wollte sich aber am Donnerstagmorgen von sich aus wieder bei der Frau melden. Ein hartinger-sches Kind war bisher in dessen Biografie noch nicht aufgefallen.
    Um neunzehn Uhr trafen sich der Erste Bürgermeister Hans Wilhelm Meier und sein oberster Polizist Ludwig Bernbacher am Stammtisch der

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