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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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meinem Stammtisch rum, sondern stell diesen Ort auf den Kopf. Ich will ihn, tot oder lebendig!« Die Vertrautheit des Nachmittagstelefonats war der Chefattitüde gewichen, mit der Hans Wilhelm Meier sein Volk üblicherweise zu kommandieren pflegte.
    Der Meier Hansi hatte offenbar zu viele US-Krimis im Fernsehen gesehen, da war sich Ludwig Bernbacher sicher. Es war jedoch sinnlos, mit ihm über sein Auftreten zu streiten. Und überdies musste natürlich allmählich mal was geschehen. Der Hauptverdächtige war höchstwahrscheinlich wieder an den Tatort zurückgekehrt. Wenn Bernbacher ihn nicht langsam einfing, machte er sich endgültig zum Deppen.
    Er wollte den Bürgermeister von der Causa Hartinger ablenken, zog aus der Innentasche seiner Uniformjacke das schwarze Bücherl und legte es vor Meier auf den Tisch.
    »Was ist das?«, fragte dieser erstaunt.
    »Ein schwarzes Bücherl«, erklärte ihm Bernbacher.
    »Wem gehört‘s, was steht drin, wo hast du es her?«, fauchte Meier.
    »Gefunden. Aber was drinsteht, da bin ich überfragt. Du weißt doch alles. Komm, lies es mir vor.«
    Bürgermeister Meier nahm die Chinakladde und schlug sie mit seinen fleischigen Fingern auf. »Arabisch. Was soll der Schafscheiß?«
    »Ganz ehrlich, Hansi: keine Ahnung. Haben wir ein paar Meter neben dem Leichenfundort entdeckt. Heute. Gestern war es noch nicht da. Sonst hätten wir es gestern gefunden. Hast du nicht einen, der es übersetzen kann? Ich will das nicht über den offiziellen Weg machen.«
    »Gut. Ich seh zu, was ich machen kann.« Meier steckte die Kladde in die Innentasche seiner Trachtenanzugsjacke. »Finde du mir den Hartinger!«
    Die beiden verließen den Festsaal in unterschiedliche Richtungen. Der Bürgermeister wandte sich wieder seinem Stammtisch in der Wirtsstube zu, während Bernbacher zur Türe des Gasthofs auf die Ludwigstraße hinausschlich. Er setzte sich in seinen gegenüber in der Feuerwehrzufahrt der Kirche abgestellten Wagen und rollte in die Münchner Straße in seine Polizeiinspektion.
    Claudia Schmidtheinrich wurmte der Anschiss von Bernd Schneider nachhaltig. Nach den Telefonaten mit den Zielfahndern, die Hartingers Witterung aufgenommen hatten, und den Kollegen der Netzwerkfahndung wusste sie auch nicht mehr als das, was sie vorhin berichtet hatte. Sie ließ sich die Genehmigung ihres Vorgesetzten geben, selbst das Internetcafe in Bad Tölz aufzusuchen. In einem silbergrünen Audi jagte sie wenig später mit vollem Orchester durch das Eisentor der Polizeiinspektion Garmisch-Partenkirchen und bretterte in Richtung A 95.
    Unterwegs nach Tölz hatte sie eine gute halbe Stunde Zeit, über ihr Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten nachzudenken. »Lässt der mich so vor den anderen zusammenfallen«, flüsterte sie vor sich hin. Sie wunderte sich, warum die paar deutlichen Worte sie so getroffen hatten. Es war ja nicht so, dass Schneider unrecht hätte, das musste sie sich selbst eingestehen. War da mehr als nur der Ärger über das eigene Versäumnis, gleich den Angaben der Kollegen tiefer auf den Grund zu gehen? Konnte es sein, dass es ihr aus ganz anderen Gründen nicht passte, wenn Bernd Schneider sie anfuhr? War ihr Verhältnis ein wenig zu innig für Kollegen? Und wollte sie, dass sich daran etwas änderte?
    Wie der an diesem Tag geschaut hatte im Auto, als es um die Sache mit der Bluse gegangen war. Hätte am liebsten dorthin gefasst, wo der picklige Volontär des Tagblatts so penetrant hingestarrt hatte. Dass Schneider dort hinschaute, daran hatte sie sich längst gewöhnt. Aber diesmal hatte nicht viel gefehlt, und es wäre zu Handgreiflichkeiten gekommen, da war sie sich sicher. Zumindest wollte sie sich da sicher sein.
    Sie sah ja gut aus, oder? Sagten doch alle ihre Freundinnen, dass sie eine »echt tolle Figur« hätte. Und sie tat ja auch einiges dafür, mit Hanteltraining und in der Triathlongruppe des Polizeisportvereins München. Endlich hatte das bei Bernd auch mal Wirkung gezeigt.
    Und was wäre gewesen, wenn er sie berührt hätte? Hätte sie entsetzt seine Hand weggeschlagen und ihm eine Szene gemacht? Hätte sie es geschehen lassen? Was wäre dann passiert? Wäre es zum Äußersten gekommen im Dienst-BMW mitten in Garmisch-Partenkirchen?
    Sicher nicht. Aber was auch immer hätte passieren können, ihr Verhältnis wäre danach ein anderes gewesen. Ein geklärtes, vielleicht. Endlich.
    Oder die Sache am Morgen im Hotel. »Heini« hatte er sie genannt und sie ihn »Schniedel«. O Gott, was für

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