Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
Vom Netzwerk:
würden wir Partenkirchner unser Neujahrsskispringen und die Garmischer ihre Weltcuprennen verlieren. Die haben ja alle drei Wochen einen neuen Chef. Und dass der Toni«, er deutete auf den Sprecher der Weidegenossenschaft, »immer noch kein anständiges Angebot von denen hat, das schreit doch zum Himmel!«
    »Dabei haben wir es jetzt schon so weit getrieben, dass wir es in alle großen Zeitungen, sogar in den Spiegel und Die Zeit, geschafft haben«, sekundierte der angesprochene Toni Langmoser. »Allmählich werden wir unglaubwürdig. Die meinen bald alle da draußen, wir geben unsere Wiesen nur deshalb nicht her, weil sie uns nicht ordentlich dafür bezahlen.«
    »Stimmt doch auch.« Der evangelische Pfarrer, am Tisch mehr geduldet als erwünscht, konnte seinen Wahrhaftigkeitsdrang nicht unterdrücken.
    »Freili stimmt‘s. Aber wissen muss es doch keiner«, zischelte der Langmoser zurück.
    »Ein Schmarrn! Stimmt eben nicht!«, rückte der Bürgermeister seinen Masterplan noch einmal für alle ins rechte Licht. »Ihr müsst das endlich alle verstehen: Es geht halt nicht ums direkte Geld, sondern um die nachhaltige Entwicklung unseres Ortes. Um die Zukunft unserer Kinder. Nachhaltigkeit, verstehts. Das ist ganz wichtig heutzutage. Wenn unsere Bauern ihre Wiesen, das Erbe ihrer Väter, schon hergeben müssen, soll dort auch etwas Nachhaltiges für unseren wunderschönen Ort entstehen und nicht nur ein Snow Village für ein paar Wochen. Also das Snow Village natürlich auch, das brauchen wir ja für die Olympischen Spiele. Vergesst aber bitte nicht, wir brauchen hier am Ort endlich eine touristische Sonderzone mit Viersternehotel, Kongresshalle und renoviertem Schwimmbad. Und dafür streiten wir – und mit uns unsere Bauern.«
    »Und das soll einer da draußen glauben?«, ließ der Lutherische nicht locker, da er sich nun mal für Glaubensfragen zuständig hielt.
    »Bis jetzt glauben alle, dass die Bauern wegen ihrer Liebe zum Land und zur Landwirtschaft auf stur schalten. Das ist unser Plan – und er geht wunderbar auf. Aber tatsächlich geben die die Wiesen schon her. Aber erst dann, wenn uns die Regierung von Oberbayern, die Bayerische Staatsregierung oder das IOC diesen Grund für viel Geld abkaufen und unsere Bauten finanzieren. Und das wissen die auch.« Meier fand seinen Plan, dem Freistaat oder wem auch immer mit ein paar Hektar Land die Erfüllung seiner persönlichen Vision abzupressen, einmal mehr ganz ausgezeichnet.
    »Pass nur auf, Hansi, dass sie dich nicht an die Wand fahren«, warnte der bedächtige Bereitschaftsleiter der Sanitätskolonne. Als langjähriger Angehöriger des Roten Kreuzes kannte er das Wesen einer international im rechtsfreien Raum agierenden Institution besser als der Bürgermeister. Er wusste: Wenn eine Organisation wie das Internationale Olympische Komitee etwas wollte – oder auf welchem Weg auch immer dazu gebracht wurde, etwas zu wollen –, gab es kein Halten mehr. Da waren Provinzbürgermeister schnell ausgebootet. Und Bauern eben doch direkt mit echtem Geld gekauft.
    Bisher hielten die wenigen Grundstückseigentümer, auf die es ankam, zu ihrem Ortsvorsteher. Schließlich hatte er ihnen für den Fall, dass auf ihren Wiesen seine touristische Sonderzone entstand, einen vielfach höheren Gewinn in Aussicht gestellt, als ihnen die kurzzeitige Überlassung für die Errichtung des olympischen Snow Villages versprach. Insbesondere der Besitzer des zentralen Filetstücks der Wiesen am Ortsrand genau zwischen den Ortsteilen Garmisch und Partenkirchen, der Nebenerwerbslandwirt Max Huber, wollte mit ihm zusammen den großen Reibach machen. Er hatte die Eigentümer der an seinen Besitz angrenzenden wesentlich kleineren, aber für das Gesamtbauvorhaben unerlässlichen Grundstücke auf die Seite des Bürgermeisters und damit auf seine gebracht. Ohne Huber, sein zentrales Grundstück und seine Nachbarn konnte weder das temporär zu errichtende Snow Village noch die langfristiger gedachte touristische Sonderzone auf der Fläche hinter dem Eisstadion, dort, wo die Bahnlinie die beiden Ortsteile trennte, entstehen.
    Als besonderen Schachzug hatte es Bürgermeister Meier eingefädelt, dass nicht die Grundstückseigner selbst, sondern der Sprecher der Weidegenossenschaft den Oberrevoluzzer gab. Die Weidegenossenschaft war die wichtigste Vereinigung der Schaf – und Rinderbauern. Sie war für alle Wiesen und deren Bewirtschaftung seit Urzeiten zuständig, egal, wem der jeweilige Grund

Weitere Kostenlose Bücher