Josefibichl
Wiener Schnitzel, Cordon bleu; Apfelstrudel, Apfelkücherl, Kaiserschmarrn. Alles gediegen. Nichts Außergewöhnliches.
Wie passte dieser gepflegte Wirtshausstil zu den High-Class-Plänen des Veit Gruber? Der musste einen Einflüsterer haben, von allein kam der auf so etwas nicht. Spirit Of The Alps, James Cameron, St. Barth . . . Nein, das war nicht der Gruber, der es zu diesem Aussichtsrestaurant und einem Klettergarten gebracht hatte.
Durch die großen Scheiben an der linken Seite des Nebenraums blickte Schneider hinunter auf den Parkplatz des Gasthauses. An diesem Abend standen dort nur sein Fünfer und zwei weitere Autos von Einheimischen, die an der Bar saßen. Die befand sich im Gang zwischen Hauptsaal und Nebenraum und bildete die Zentrale des Lokals. Die Touristen, die drüben gerade vor Begeisterung ob des Schuhplattei – und Melkunvermögens ihrer Mitopfer quiekten, waren mit dem Reisebus gekommen, der ebenfalls auf dem Parkplatz stand.
Während Schneider über die Welt des Veit Gruber sinnierte und auf seinen Schweinsbraten mit Kartoffelknödel wartete – er hatte gewagt, das typischste aller typischen Gerichte zu bestellen, die die Küche an einem solchen Ort bot –, rollten zwei nachtschwarze Mercedes-Limousinen auf den Parkplatz. In der anbrechenden Dunkelheit konnte Schneider von den Nummernschildern nur so viel erkennen, dass sie eine sehr seltene Form und Zahlenkombination aufwiesen. Die beiden S-Klassen parkten parallel zur Fensterfront des Nebenraums, sodass Schneider hätte aufstehen müssen, um sich Gewissheit über die Herkunft der Autos zu verschaffen. Dazu war er zu müde. Außerdem wollte er einmal Herr über seine Neugierde sein und sich nicht die Nase an der Scheibe platt drücken, nur um zu erfahren, wo die offenbar gut situierten Touristen beheimatet waren, die sich beim Bayerischen Heimatabend beglücken lassen wollten.
Seine Trägheit verflog auf den Schlag, als drei in weiße Kaftane und runde Kopfbedeckungen gekleidete Männer aus den Fonds der Autos stiegen, zunächst zwei aus dem vorn geparkten, die dann den dritten vom hinten abgestellten Mercedes abholten. Die beiden Ersteren gingen vor, der dritte Mann folgte. Sie schritten die Treppe zum Haupteingang hoch und betraten den Gang. Ohne rechts oder links zu schauen, marschierten sie zur Bar, allerdings nicht, um sich dort neben den einheimischen Grünhüten niederzulassen oder gar an der Bar vorbeizugehen, um in die Heimatabendhölle einzufahren. Sie verschwanden, ohne auch nur einen Gruß oder einen Blick auf die Anwesenden zu verschwenden, hinter der unscheinbaren Tür, die hinter dem Tresen in einen Raum führte, der durch das messingimitierende Klebeschild als »Privat« ausgewiesen war.
Kaum dass der dritte Kaftanträger die Tür hinter sich zugezogen hatte, sprang Schneider auf, um nun doch die Schilder der Mercedes-Limousinen zu begutachten. Da der Parkplatz drei Meter tiefer als sein Fenster lag, blickte er von schräg oben auf die Autos und konnte nichts Genaueres erkennen. Er musste hinaus und die Treppe hinunter, was die Gefahr mit sich brachte, von den in den Autos wartenden Fahrern bei seinem Treiben bemerkt zu werden. Dieses Risiko musste er eingehen. Nach allem, was er an diesem Tag von den Kollegen der Garmisch-Partenkirchner PI erfahren hatte, pflegte Veit Gruber regelmäßigen Umgang mit Personen arabischer Abstammung. Er musste herausfinden, mit wem.
Betont unbeteiligt ging er die Außentreppe hinunter, geradewegs auf den vorderen Wagen zu. Die Schilder an den Limousinen waren schwarz, die Autokennzeichen setzten sich aus einem »FL«, einem kleinen gelb-roten Wappen und einer fünfstelligen Nummer zusammen. Demnach waren die Wagen im Fürstentum Liechtenstein zugelassen.
Schneider ging rechts an den Autos vorbei und merkte sich die beiden Nummern. Dann stieg er in seinen BMW, um sie an die Zentrale in München durchzugeben, wo man über Interpol oder wie auch immer herausfinden sollte, wer der Halter der Fahrzeuge war. Die Kollegin in München versicherte ihm, sein Anliegen umgehend an den Nachtdienst weiterzuleiten. Wie lange die um zehn Uhr abends für so eine Sache brauchten, konnte sie nicht sagen, geschweige denn, ob es überhaupt eine Möglichkeit gab, liechtensteinische Kfz-Kennzeichen zu überprüfen. Er bat sie, dass man ihm per SMS die entsprechende Nachricht sandte.
Anschließend stieg er wieder aus, schüttelte wie wild den Kopf und schlug sich unter Fluchen mit der flachen Hand an die
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