Josefibichl
stehen und machte sich grußlos auf den Nachhauseweg.
Bürgermeister Meier würde das nächste Jahr mit Alpiner Ski-WM und dem Entscheid des IOC über die Olympiabewerbung wenig genug schlafen können. Da war es auch mal schön, um kurz vor zwölf in die Federn zu fallen.
Im Auto dachte er über die Ereignisse des Tages eins nach dem abscheulichen Mord in seinem Landl nach. Wie eine Kette glasklarer Strasssteine reihte sich die Geschichte vor seinem inneren Auge auf. Auf einmal schien alles ein einigermaßen rundes Bild zu ergeben. Ein arabisch beschriebenes Bücherl. Gefunden neben dem Leichenfundort. Verloren nach dem Mord. Von einem Beobachter. Mit Beobachtungen aus oder über St. Anton. Oder Personen aus St. Anton, wahrscheinlich.
Diese Informationen reichten dem Bürgermeister. Seine schlimmsten Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten. Er zuckte am ganzen Körper zusammen, als ihn die wichtigste Erkenntnis streifte: Veit Gruber hatte für seine Hirngespinste, für diesen Spirit-Schmarrn, denselben Sponsor wie er für seine touristische Sonderzone. Der Scheich steckte hinter dem Religions-Outlet, das der Gruber da am unteren Wankeck bauen wollte. Gegen diesen Gigantismus war Bürgermeister Meiers Zone mit Hotel, Kongresshalle und neuem Spaßbad ein Kindergeburtstag.
Er hatte also gut daran getan, den Schnösel vom LKA auf Gruber anzusetzen. Auch wenn er den Gruber eigentlich nur erst einmal hatte ruhigstellen wollen, denn der war ihm in letzter Zeit zu laut geworden hier am Ort. Aber nun war der es womöglich tatsächlich gewesen und hatte, um seine spinnerten Pläne umzusetzen, nicht mal vor einem Mord zurückgeschreckt. Und die Araber beobachteten alles, um ihrem Scheich Bericht zu erstatten. Nicht blöd, die Burschen, nicht blöd.
Der junge Mönch hatte wahrscheinlich sterben müssen, weil er sich gegen diesen Wahnsinn gestellt hatte.
Meier erholte sich bei diesem Gedanken schnell von seinem Schock. Er ließ das Lenkrad kurz los, um sich die Hände zu reiben. Denn wenn die Münchner Polizisten alles richtig machten, war der Gruber bald als Mörder oder Mordauftraggeber überführt und damit weg. Weg für immer. Und mit ihm seine immer neuen Riesenpläne, bei denen er, Bürgermeister Meier, jedes Mal gezwungen war, mitzumachen. Zumindest am Anfang, bis klar wurde, dass keine Kohle dafür aufzutreiben war. Aber zunächst konnte sich ein fortschrittlicher Bürgermeister solchen Ideen nicht verschließen. Die waren ja grundsätzlich nie ganz falsch, nur für einen Ort wie diesen einfach ein paar Nummern zu groß. Er kannte seine Leute. Die wollten so was nicht. Und schon gar keine Tempel. In Oberbayern signalisierte ein Zwiebelturm mit goldenem Kreuz als höchstes Gebäude die Rechtschaffenheit der Gemeinde. Das war sogar in der sonst sehr weltlichen Landeshauptstadt München durch einen Bürgerentscheid amtlich festgeschrieben worden.
Wenn der Gruber weg war, so sann er weiter, dann würde niemand mehr ein Störfeuer auf seine eigenen Ausbaupläne eröffnen.
Dumm nur, dass damit der ebenfalls störende Hartinger entlastet war. Der musste auch weg. Nun gut, um den musste man sich eben später kümmern.
In seine Euphorie mischte sich aber auch wieder ein wenig Enttäuschung. Hatten der Scheich und seine Leute so wenig Rückgrat, dass sie ihn gegen den Gruber hatten ausspielen wollen? Warum hatte der Mann, der sich nur Mustafa nennen ließ und der sein Kontaktmann zum dabbeyhischen Hof war, nie etwas davon erzählt, dass seine Brötchengeber auch hinter den Gruber-Plänen standen? Während einer Rotphase an der Alpspitzstraße dachte er darüber nach. Vielleicht war das einfach die Art, wie man im Orient Geschäfte machte. Immer mehrere Eisen im Feuer. Das war ihm nicht fremd.
Seine Miene hellte sich auf, er schüttelte den Kopf, grinste und sagte laut zu sich selbst: »Mei, so san s‘, de Araber. Alles Bazis.«
Auf dem Mittererhof hatte sich der Dachboden in ein Studierzimmer verwandelt. Kathis Tintenstrahldrucker spuckte ein Blatt nach dem anderen aus. Obwohl Albert Frey nicht jedes Dokument, das auf dem Rechner gespeichert war, für verwertenswert erachtete und ausdruckte, stapelten sich die wichtigsten Fundstücke von Engelberts Festplatte schon dezimeterhoch auf thematisch sortierten Stapeln.
Hartinger konnte bei der Lektüre der historischen Unterlagen nicht mit dem darin geübten Albert Frey mithalten. Viele der von dem Mönch eingescannten Dokumente waren verblichen gewesen und längst
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