Josefibichl
einem Smartphone gezeigt, aber auch gesagt, dass der schwere BMW ohne Allrad auf der steilen Teerstraße unter Umständen überfordert sein könnte. Schneider wollte einfach so weit nach oben fahren, wie es ging. Den Papierkram auszufüllen, um sich in der PI einen Geländewagen zu besorgen, hatte er weder Zeit noch Geduld.
Zeit genug hatte er, wie er fand, um schnell unter die Dusche zu springen und sich ein neues Polohemd überzustreifen. Wenn er Claudia zuvor weckte, sollten die zehn Minuten, bis sie angezogen und wahrscheinlich auch ein wenig geschminkt war, für eine Männerdusche reichen.
Er betrat das Hotel, grüßte den Nachtportier, nahm die Treppe in den dritten Stock und klopfte Claudia Schmidtheinrich aus dem Schlaf. »Heini – Einsatz!«, rief er zur Verdeutlichung der Lage durch die Tür.
Eine Minute später stand er unter der Dusche. Gerade, als er sich abtrocknete, pochte es wiederum an seiner Hotelzimmertüre.
»Schniedel – Einsatz?!«, hörte er von draußen die ungeduldige Stimme seiner Assistentin. Von Müdigkeit war bei der keine Spur.
»Ja, ja, komme schon!« Er hechtete zur Tür und öffnete.
Da stand sie vor ihm, ungeschminkt, mit den durch einen Haarreif nur unzureichend gebändigten schwarzen Locken und in einer frischen Sommerbluse aus sehr feiner, um nicht zu sagen, halb durchsichtiger Baumwolle. Diesmal waren die drei obersten Knöpfe offen. Aus Zeitgründen nicht zugeknöpft? In dem zarten Licht, das die Notbeleuchtung des Hotelgangs warf, gefiel ihm Claudia Schmidtheinrich ausnehmend gut.
Da fiel ihm auf, wie die Augen seiner Assistentin an seinem nackten, noch nassen Oberkörper nach unten glitten. Dort, in der Körpermitte, wo er das Handtuch um seine Lenden gebunden hatte, verharrte ihr Blick.
Er sah an sich hinab. Dann sah er wieder Claudia an. Sie löste blitzschnell den Blick von der vorgewölbten Stelle des Handtuchs und sah wieder auf.
»Dafür ist jetzt leider keine Zeit, mein Freund«, sagte Schneider in Richtung Handtuch. »Die Claudia und ich müssen erst noch ein wenig arbeiten und einen Mörder fangen. Wir kümmern uns später um dich, okay?«
»Das würde dir so passen, Schwerenöter«, wies ihn Claudia Schmidtheinrich zurecht und wurde schnell wieder dienstlich. »Also, was ist jetzt? Wo brennt‘s?«
Er nahm den Autoschlüssel von der Kommode neben der Tür, warf ihn Claudia zu und verschwand wieder in der Nasszelle. Durch die halb offene Tür rief er: »Wir haben den Hartinger. Zieh dir festere Schuhe und eine Jacke an, und warte unten im Auto auf mich!«
Karl-Heinz Hartinger und Albert Frey sahen den Morgen durch das Dachfenster dämmern.
»Zeit zu schlafen, Karl-Heinz«, mahnte der Lehrer.
»Schlafen? Wie kann ich jetzt schlafen? Ich hab vielleicht den Fall gelöst, aber die sind immer noch hinter mir her. Wie komme ich aus der Nummer wieder raus? Lang kann es nicht mehr dauern, bis sie hier sind.«
»Irgendwann kommen sie immer«, stimmte Albert Frey zu. »Wie damals beim Haushofer.«
»Haushofer? Damals?« Karl-Heinz Hartinger hatte eigentlich genug alte Geschichten gehört.
»Das hat man euch zu eurer Zeit in der Schule noch gar nicht erzählt. Ist erst in den letzten paar Jahren wieder ans Licht gekommen. Da drüben, auf dem Nachbarhof, in Mittergraseck, hat im Dezember 44 die Bäuerin Anna Zahler – also die Großtante von der Kathi – den Professor Albrecht Haushofer versteckt. Er war nicht nur jüdischer Abstammung, sondern stand als regimekritischer Mitarbeiter des Außenministers von Ribbentrop nach dem Hitler-Attentat am 20. Juli 44 auf den Fahndungslisten der Gestapo. Im September 44 ist er hier heraufgeflüchtet. Dort drüben«, Albert Frey reckte das Kinn in Richtung der Partnachalm auf dem gegenüberliegenden Hang, »dort drüben hat er im Ferienhäusl der Eltern einen Großteil seiner Jugend verbracht. Als er hier ankam, hat Anna Zahler ihn ohne Zögern aufgenommen. › Freili ‹ , soll sie gesagt haben, als er sie fragte, ob er sich verstecken könne. Dabei war sie Witwe und der Sohn in Frankreich vermisst. Sie bewirtschaftete den Hof hier allein mit ihrer minderjährigen Tochter und einer Zwangsarbeiterin aus der Ukraine. Der Albrecht Haushofer war dann ein paar Monate hier oben versteckt. Natürlich hat es sich irgendwie herumgesprochen, und die beiden wurden bei den Nazis denunziert. Als die Gestapo kam, einen Tag nach Nikolaus 44, hat er sich im Heu vergraben. Ein blinkender Manschettenknopf hat ihn verraten.«
Frey stand
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