Josefibichl
Garmisch-Partenkirchen den Muff von Jahrtausenden aus der Lederhose geklopft hätte. Natürlich würde er da längst als Minister – das Wirtschaftsressort mit dem schmucken Bau in der Münchner Prinzregentenstraße wäre nach seinem Gusto gewesen – im Bayerischen Kabinett sitzen. Wer weiß, vielleicht war da auch noch der Ministerpräsi. . .
»Hä? Chinesen?«, plärrte er ins Telefon, als er seinen Hustenanfall niedergerungen hatte.
»Ja, ist doch nicht so schwer zu verstehen. Sie sind zwar nicht die Einzigen – auch die Araber wollen das hier mit mir machen –, aber ich glaub, dass die Chinesen eine langfristigere Perspektive haben.«
Hans W. Meier musste sich sehr beherrschen, damit er in seiner Geilheit auf fremde Investoren nicht ausrastete wie ein Kind vor dem Süßigkeitenstand im Supermarkt.
»Erzähl, erzähl!«, forderte er den Gruber auf.
»Nicht am Telefon. Treffen wir uns in einer halben Stunde«, schlug Veit Gruber vor. »Sagen wir, auf dem Parkplatz vom Skistadion. Da hört uns keiner zu.«
»Halbe Stunde? In fünf Minuten – genau um Viertel vor fünf – warte ich dort auf dich«, erteilte Bürgermeister Meier den Marschbefehl. »Bring Kaffee mit!«
Meier sprang förmlich in die Lodenhose, die im Schlafzimmer über dem Stuhl lag. Den Pyjama ließ er an. Er riss seine Lodenjoppe aus der Garderobe und schnappte sich den Autoschlüssel.
Drei Minuten später startete er den Audi und knüppelte ihn Richtung Skistadion. Dabei überlegte er ganz kurz, ob er es mit der Kaffeebestellung nicht vielleicht übertrieben hatte. Veit Gruber war jetzt nicht irgendein Konkurrent um Macht und Ruhm mehr, sondern ein Geschäftspartner.
Er würde seinen neuen wichtigsten Bürger und Freund anständig für seinen Kaffee loben, nahm er sich vor.
Ludwig Bernbacher schlief den tiefen Schlaf des bayerischen Vollzugsbeamten. Er hatte an diesem Tag alles richtig gemacht. Auch mal ein bisserl seine harte Seite gezeigt. Nachdem der Hartinger gefasst und der Fall abgeschlossen wäre, würde er generell eine strengere Linie fahren, hatte er beim Zähneputzen seinem Spiegelbild geschworen. Seine eingeborenen Polizistinnen machten Yoga in der Skiclubhütte. Die würde er auf Vordermann bringen.
Seine PI hatte er mit der Ansage an den Wachhabenden verlassen, ihn sofort auf dem Handy anzurufen, wenn irgendetwas von Bedeutung geschah. Welcher Art das bedeutungsvolle Ereignis sein sollte, das einen Anruf bei ihm gerechtfertigt hätte, hatte er nicht gesagt.
Neben ihm lag seine Frau Heidi und rüsselte mit ihm um die Wette. Alles war so, wie es immer war. Zumindest in seinem Schlafzimmer. Vor dem Energiesparfenster sah es anders aus. Draußen rannte ein Mörder herum. Ein Mordverdächtiger war abhandengekommen. Ein BND-Agent deckte die Entführung eines LKA-Beamten durch einen ausländischen Geheimdienst. Bild-Reporter schüttelten Storys aus Hausfrauen.
Garmisch-Partenkirchens oberster Polizist schlief. Das sollte die ganze Nacht über so bleiben. Sein Handy hatte er wieder einmal im Auto liegen lassen.
Müller oder Schmidt fuhr Bernd Schneider um Viertel nach vier in einem unscheinbaren dunkelblauen VW Passat zum Hotel Partenkirchner Hof.
»Mein Auto!«, wunderte sich Schneider, als sie an den Längsparkplätzen vor dem Hotel hielten. Der BMW stand direkt vor dem Haupteingang.
»Service is our success!« Müller oder Schmidt grinste scheinheilig. »Sie wollen doch möglichst mobil und einsatzfähig sein, nicht wahr? Und eine kleine Wiedergutmachung haben Sie nach dem ruppigen Abtransport aus dem Berggasthof ja auch verdient. Hier, bitte. . .« Müller oder Schmidt kramte aus dem Trenchcoat Schneiders Autoschlüssel hervor. »Vollgetankt. Nichts zu danken. Bis dann!«
Schneider nickte, stieg grußlos aus dem VW und ließ sachte die Tür ins Schloss fallen. Müller oder Schmidt rollte ganz ohne James-Bond-Manieren in das zaghafte Morgengrauen davon.
Bernd Schneider hatte nun ein volles Programm vor sich. Natürlich hatte ihm der BND-Mann den Aufenthaltsort des flüchtigen Karl-Heinz Hartinger verraten. Woher er den kannte, blieb sein Betriebsgeheimnis. Schneider kümmerte sich auch nicht weiter darum, wichtig war, den Verdächtigen zu stellen.
Dieses Unterfangen wollte und durfte er – laut Dienstvorschrift – gar nicht allein angehen. Er musste also Claudia Schmidtheinrich wecken und sich möglichst schnell auf den Weg zu diesem Berghof in Graseck machen. Müller oder Schmidt hatte ihm den Weg dorthin auf
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