Joseph Anton
sagte er. »Aber ich will mit dir Ski laufen«, sagte sein Sohn. Die Worte taten ihm in der Seele weh.
Die Post kam. Sie brachte die ersten druckfrischen Exemplare von Harun . Das besserte seine Laune. Er signierte ein Dutzend Exemplare für Zafars Freunde. In Elizabeths Buch schrieb er: »Ich danke Dir dafür, dass Du mir die Freude zurückgebracht hast.«
Es fiel zunehmend einfacher zu glauben, dass der ›Fall Rushdie‹ den Ärger nicht wert war, den er verursachte, erwies sich der Mann selbst doch offenbar als höchst fragwürdiges Exemplar von Mensch. Norman Tebbit, einer von Margaret Thatchers engsten politischen Vertrauten, schrieb im Independent , dass der Autor von Die satanischen Verse ein »ausgemachter Schurke sei … (dessen) öffentliches Leben nur aus einer Abfolge verächtlicher Treulosigkeiten gegen seine Herkunft, seine Religion, sein gewähltes Heimatland und seine Nationalität« bestehe. Lord Dacre (Hugh Trevor-Roper), gefeierter Historiker, Tory-Peer und ›Echtheitsbeglaubiger‹ der gefälschten ›Hitler-Tage bücher‹, schrieb ebenfalls im Indy : »Ich frage mich, wie es Salman Rushdie heutzutage wohl ergeht unter dem wohlwollenden Schutz des britischen Rechts und der britischen Polizei, der gegenüber er sich so rüpelhaft benommen hat. Nicht allzu gut, hoffe ich … Jedenfalls vergösse ich keine Träne, wenn ihm nachts ein paar britische Muslime in einer dunklen Gasse auflauerten und versuchten, seine Manieren ein wenig aufzupolieren. Hätte er danach seinen Stift etwas besser im Griff, wäre das für die Gesellschaft ein Segen, und die Literatur würde nicht drunter leiden.«
Der Schriftsteller John le Carré schrieb: »Ich glaube nicht, dass es einem von uns gegeben ist, die großen Religionen ungestraft beleidigen zu dürfen«, und bei anderer Gelegenheit: »Oft genug hätte es in Rushdies Macht gestanden, das Gesicht seiner Verleger zu wahren und das Buch mit Anstand vom Markt zu nehmen, bis friedlichere Zeiten angebrochen sind. Mir scheint, ihm bleibt nichts weiter zu beweisen als der eigene Mangel an Gefühllosigkeit.« Le Carré hatte auch nichts für das Argument ›literarisch verdienstvoll‹ übrig. »Sollen wir glauben, dass jene, die Literatur schreiben, ein größeres Recht auf freie Meinungsäußerung als jene haben, die etwa Schundromane verfassen? Solch elitäres Denken ist im Fall Rushdie keine Hilfe, worin auch immer der Fall heute noch besteht.« Er schrieb leider nicht, ob er sich auch etwa im Fall von James Joyce’ Ulysses oder D. H. Lawrence’ Lady Chatterly geweigert hätte, das Argument ›literarisch verdienstvoll‹ vorzubringen.
Douglas Hurd, britischer Außenminister und ›Schriftsteller‹, wurde vom Evening Standard gefragt: »Was war für Sie der schmerzlichste Augenblick Ihrer Regierungszeit?« Er antwortete: »Als ich Die satanischen Verse las.«
Anfang September traf er Duncan Slater in dessen Haus in Knightsbridge. Die vielen indischen Bilder und Artefakte brachten in Slater unvermutet den Indienkenner zum Vorschein, was vielleicht seine Sympathie für den Unsichtbaren erklärte. »Nutzen Sie Ihre Medienkontakte«, sagte Slater. »Sie brauchen positive Berichterstattung.« Nadine Gordimer hatte auf ihrer Liste eine beeindruckende Zahl an Unterschriften gesammelt, darunter die von Václav Havel, dem französischen Kulturminister sowie noch vielen weiteren Politikern, Schriftstellern und Akademikern, und Slater schlug vor, diese Liste für einen wohlmeinenden Leitartikel, etwa in The Times, zu nutzen. Gordimers Brief wurde veröffentlicht und sorgte für allerhand Wirbel. Nichts änderte sich. The Independent berichtete, die Zeitung hätte einhundertsechzig Briefe erhalten, die Tebbits Aussage kritisierten, nur zwei, die sie unterstützten. Das war doch immerhin etwas.
Einige Tage später kündigte der italienische Außenminister Gianni De Michelis an, dass Europa und Iran ›kurz davor‹ stünden, Schreiben auszutauschen, die ›die Fatwa aufheben‹ und die Beziehungen normalisieren sollten. Slater sagte, der Bericht eile ›den Neuigkeiten ein wenig voraus‹, doch eine ›Troika‹ von Außenministern der Europäischen Gemeinschaft plane tatsächlich, in den nächsten Tagen mit Irans Außenminister Ali Akbar Velayati zu reden.
Elizabeth fing an, ihren engsten Freunden von ihrer neuen Beziehung zu erzählen. Er unterhielt sich mit Isabel Fonseca und erzählte ihr von Elizabeth. Dann hörte er, dass Marianne nach London
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