Joseph Anton
muss sterben . Simon Lee, Autor von The Cost of Free Speech , schlug vor, ihn für den Rest seines Lebens nach Nordirland zu schicken, dort seien doch schon genügend Sicherheitskräfte. Garry Bushell, Leitartikler der Sun , nannte ihn einen Verräter, schlimmer als George Blake. Blake, ein sowjetischer Doppelagent, war wegen Spionage zu zweiundvierzig Jahren Haft verurteilt worden, konnte aber aus dem Gefängnis in die Sowjetunion fliehen. Nun durfte man also allen Ernstes behaupten, einen Roman zu verfassen sei ein schlimmeres Verbrechen als Hochverrat.
Zwei Jahre Angriffe von Muslimen wie Nicht-Muslimen hatten ihm stärker zugesetzt, als er ahnte. Nie würde er den Tag vergessen, an dem man ihm jene Ausgabe des Guardian gab, in der John Berger, Schriftsteller und Kritiker, über ihn geschrieben hatte. Sie hatten sich einmal getroffen, und er bewunderte vor allem Bergers Essays in Sehen und in Das Leben der Bilder oder die Kunst des Sehens. Er dachte, sie seien sich freundschaftlich gesinnt. Begierig schlug er die zweite Seite auf. Der Schock über Bergers bitterböse Attacke auf sein Werk und seine Motive saß tief. Sie hatten gemeinsame Freunde, etwa Anthony Barnett von Charter 88, und in den kommenden Monaten und Jahren wurde Berger oft von ihnen gefragt, warum er einen derart feindseligen Artikel geschrieben hatte. Er verweigerte jedes Mal die Antwort.
Die Liebe keiner Frau könnte leichthin den Schmerz so vieler ›schwarzer Pfeile‹ lindern. Im Augenblick aber gab es vermutlich gar nicht genügend Liebe auf der Welt, um ihn zu heilen. Sein neues Buch wurde veröffentlicht, und am selben Tag stieg die britische Regierung wieder mit seinen Möchtegern-Mördern ins gemeinsame Bett. Im Feuilleton wurde er gelobt, auf den Politikseiten beschimpft. Nachts hörte er Ich liebe dich , tagsüber schrie man Krepier !
*
Elizabeth erhielt keinen Polizeischutz, doch um ihre Sicherheit zu garantieren, war es wichtig, sie nicht ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Außerhalb des ›magischen Rings‹ haben seine Freunde nie ihren Namen oder ihre Existenz erwähnt; trotzdem kam ihr die Presse auf die Spur. Man hatte kein Foto von ihr, und es wurde auch kein Foto verfügbar gemacht, doch hinderte dies die Regenbogenpresse nicht daran, darüber zu spekulieren, warum eine schöne junge Frau mit einem vierzehn Jahre älteren Romancier zusammen sein wollte, auf dessen Stirn das Mal des Todes prangte. Er entdeckte in der Presse ein Foto von sich, darunter stand: RUSHDIE, HÄSSLICH . Natürlich nahm man an, dass Elizabeth aus niederen Gründen mit ihm zusammen war, vielleicht, weil sie sein Geld wollte oder weil – wie ein ›Psychologe‹ mutmaßte, der Elizabeth überhaupt nicht kannte – eine gewisse Sorte junger Frauen den Ruch der Gefahr erregend fand.
Nun, da ihr Geheimnis kein Geheimnis mehr war, wuchs die Sorge der Polizei um Elizabeths und seine Sicherheit. Man fürchtete, jemand könne ihr auflauern, wenn sie mit dem Rad zu ihm fuhr, also bestand man darauf, sie an vorab vereinbarten Stellen zu treffen, um mögliche Verfolger abzuschütteln. Außerdem wurde der Presse der warnende Hinweis übermittelt, dass die Erwähnung ihres Namens die Gefahr eines möglichen Verbrechens vervielfache. Und in all den folgenden Jahren half die Presse, sie zu beschützen. Nie wurde sie fotografiert, nie ein Foto von ihr veröffentlicht. Wenn er in der Öffentlichkeit auftrat, wurde sie separat hingefahren und in gesondertem Wagen wieder abgeholt. Er sagte den Pressefotografen, sie dürften gern von ihm Aufnahmen machen, bat aber im Gegenzug darum, Elizabeth in Ruhe zu lassen, und erstaunlicherweise tat man ihm den Gefallen. Alle wussten, wie ernst die Bedrohung durch die Fatwa war. Selbst als fünf Jahre später sein Roman Des Mauren letzter Seufzer auf der Shortlist für den Booker-Preis stand und er mit Elizabeth zur Preisverleihung ging, erschien kein Bild von ihr. Das Booker-Essen wurde live auf BBC 2 übertragen, doch waren die Kameraleute angewiesen worden, sie nicht ins Bild zu nehmen, und es wurde tatsächlich keine einzige Aufnahme von ihrem Gesicht gezeigt. Dank dieser außergewöhnlichen Zurückhaltung konnte Elizabeth sich während all der Fatwa-Jahre frei als Privatperson in der Stadt bewegen, ohne irgendwelche, ob freundliche oder unfreundliche, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Da sie vom Charakter her ein Mensch war, der das Private schätzte, kam ihr dies sehr entgegen.
Mitte Oktober ließ er sich in einem
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