Joseph Anton
Schock.« Obwohl nur relativ wenige islamische Terroristen im Verlag Bloomsbury arbeiteten, wollte sie kündigen, wollte ganz bei ihm bleiben, Gedichte schreiben und sich keine Sorgen um Tratsch und Geschwätz machen müssen. Es klang gar nicht so, als brächte sie ein Opfer, doch war es ein großes Opfer, das wusste er, und dass sie ihm den Eindruck vermittelte, dies sei genau, was sie wirklich wolle, weshalb er kein schlechtes Gefühl zu haben brauche, war ein weiterer Beleg ihres Großmuts. Ohne einen Moment des Zweifels verließ sie ihr Büro bei Bloomsbury und verlor darüber auch nie ein Wort des Bedauerns oder des Vorwurfs. Teile der britischen Boulevardpresse begannen, völlig haltlose Storys über ›Rushdies neue Liebe‹ zu veröffentlichen, die dem Land ein Vermögen koste, und man deutete an, Elizabeths Erscheinen auf der Bildfläche erhöhe die Sicherheitskosten um mehrere hunderttausend Pfund. Seit die Regierung seinen Fall nicht länger verfolgte, richtete sich das Augenmerk der Presse auf die Ausgaben für den Personenschutz. Er kostete das Land ein Vermögen und war natürlich arrogant und undankbar. Und nun musste das Land auch noch für seine Freundin aufkommen.
Elizabeth wusste, dass sie das Land keinen Penny kostete, und ihre Verachtung für diese erlogenen Geschichten war bewundernswert.
Die meiste Zeit fand er das Haus in der Hampstead Lane Nummer 30 sorgenfrei, und es schien ihm dauerhaft. Es war einfach da, und er verbrachte nicht den halben Tag damit, sich zu fragen, ob es ›aufflog‹ und er plötzlich wieder umziehen musste. Selbst wenn jemand zum Haus kam, blieb er ruhig. Das Anwesen war so groß, dass er weiterarbeiten konnte, während der Gärtner den Rasen mähte, der Klempner klempnerte oder irgendein Küchengerät repariert wurde. Die Bulsaras waren recht unaufdringliche Vermieter, und Fitz war ziemlich überzeugend, wenn er seinen Chef als einen aufstrebenden internationalen Verleger schilderte, der meist fort und nur selten hier war, mit anderen Worten als einen Mann ganz wie der echte Rea Hederman, auch wenn der echte Rea niemals ein Haus mit acht Schlafzimmern in der Hampstead Lane gemietet hätte. Fitz begann auszuloten, ob das Haus zu kaufen sei, aber Mrs Busara verlangte einen lachhaft hohen Preis. »Ich habe versucht, sie runterzuhandeln, Sir«, sagte Fitz, »aber ihr leuchten Dollarzeichen in den Augen.«
Dann kam ein neues Haus auf den Markt, ganz in der Nähe des nördlichen (und nicht so teuren) Endes der Bishop’s Avenue. Es musste zwar einiges daran getan werden, doch der verlangte Preis war angemessen. Der Besitzer wollte rasch verkaufen. Begleitet von Fitz und einem Mitglied seines Überwachungsteams, sah Elizabeth sich das Haus an, und alle waren zufrieden. »Das könnte tatsächlich funktionieren«, sagte Elizabeth, selbst die Polizei hielt den Daumen hoch. Ja, er würde wieder auf Dauer ein Zuhause haben; auf höchster Ebene habe man zugestimmt, hieß es. Zweimal fuhr er dran vorbei, nur hineingehen konnte er nicht. Ein Vorplatz, die Zufahrten mit zwei Toren geschützt, führte zum Gebäude selbst, einem großen Wohnhaus mit hohem Giebeldach und weiß verputzter Fassade, anonym und ja, auch einladend. Er verließ sich auf Elizabeths Bericht und handelte, so schnell er konnte. Zehn Tage nachdem Elizabeth das Haus Nummer 9 in der Bishop’s Avenue zum ersten Mal gesehen hatte, wurden die Verträge unterzeichnet, und es gehörte ihm. Er konnte es kaum fassen, er hatte wieder ein Haus. »Sie sollten wissen«, sagte er zum neuen Bodyguard, einem vornehmen Mann, den seine Kollegen nur CHT nannten (Abkürzung für Colin Hill-Thompson), »wenn ich da erst eingezo gen bin, fange ich mit dem Herumreisen nicht wieder an.« Von allen Beamten, die ihn bislang bewacht hatten, brachte Colin wohl am meisten Mitgefühl für seine Lage auf. »Selbstverständlich«, sagte er. »Und lassen Sie sich auf keinen Fall davon abbringen. Man hat zugestimmt, und dabei bleibt’s.«
*
An dem neuen Haus musste noch jede Menge getan werden. Er rief David Ashton Hill an, einen befreundeten Architekten, und weihte ihn in das Geheimnis ein. David, ein weiterer Freund in der langen Abfolge von Freunden Ohne Die Das Leben Unmöglich Gewesen Wäre , machte sich gleich ans Werk; die Bauarbeiter wurden nicht eingeweiht; ihnen erzählte man ›die Geschichte‹. Das Haus Bishop’s Avenue Nr. 9 sollte die Londoner Heimstatt von Joseph Anton werden, einem internationalen Verleger amerikanischer
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