Joseph Anton
Herkunft. Seine eng lische Freundin Elizabeth beaufsichtigte die Arbeiten und traf alle notwendigen Entscheidungen. Nick Nordon, der Bauunternehmer, war der Sohn des Komödienschreibers Denis Norden und ließ sich nicht zum Narren halten. Nick zu erklären, warum ein Verleger wie Mr Anton kugelsicheres Glas in allen ebenerdigen Fenstern oder im ersten Stock einen Schutzraum brauchte, fiel nicht gerade leicht. Seltsam war auch, dass Mr Anton nie zu den Besprechungen kam, nicht ein einziges Mal. Natürlich beruhigte allgemein, wie englisch Elizabeth war, und man konnte es stets dem Amerikaner anlasten, dass er in Sicherheitsfragen so penibel war – wie jeder Engländer wusste, hatten die Amis schließlich vor allem und jedem Schiss: Wenn ein Auto in Paris eine Fehlzündung hatte, sagte jedermann in Amerika den Urlaub in Frankreich ab –, doch eigentlich, vermutete Mr Anton, wussten Nick Norden und seine Arbeiter ziemlich genau, wessen Haus sie da umbauten. Nur verloren sie darüber kein Wort und zogen es vor, so zu tun, als glaubten sie die Geschichte; niemand gab der Presse einen Hinweis. Es dauerte neun Monate, das Haus nach den Wünschen von Mr Anton umzubauen, der die nächsten sieben Jahre dort wohnen sollte; und das Geheimnis blieb während all der Zeit gewahrt. Sehr viel später gestand einer der hochrangigen Beamten des ›A‹-Kommandos, man sei davon ausgegangen, dass das Haus innerhalb weniger Monate der Öffentlichkeit bekannt sein würde, und jedermann im Yard fand es erstaunlich, dass es acht Jahre lang und länger ›geheim‹ blieb. Wieder einmal hatte er Grund, dafür dankbar zu sein, wie ernst seine Lage genommen wurde. Es gab keinen, der nicht begriff, wie wichtig es war, sein Geheimnis zu wahren, also wurde es schlicht und einfach gewahrt.
Er bat Fitz, die Miete für das Haus in der Hampstead Lane zu verlängern. Fitz übernahm es auch, die Kosten herunterzuhandeln – »die nehmen Sie aus wie eine Weihnachtsgans, Sir« –, und hatte Erfolg, obwohl Mrs Bulsara ihn anflehte: »Bitte, Mr Fitz, Sie müssen Mr Hederman bitten, mehr zu zahlen.« Er wies auf einige Probleme hin – so standen in der Küche zwei Herde, beide defekt –, worauf sie antwortete, als wäre dies eine vollständig ausreichende Antwort: »Aber wir sind Inder, wir kochen mit Gas.« Mrs Bulsura bedauerte, dass es nicht zum Verkauf kam, behielt aber, was ihr Haus betraf, weiterhin absurde Preisvorstellungen. Mit der Miete ging sie trotzdem runter. Plötzlich standen dann wie aus heiterem Himmel Gerichtsvollzieher vor der Tür, um ›Besitz der Bulsaras zu beschlagnahmen‹.
Wurden sie mit Unerwartetem konfrontiert, reagierten seine Bodyguards manchmal auf eine Weise, die an kopflose Hühner erinnerte. Ähm, Joe, wie ging die Geschichte noch mal? Wer hat das Haus offiziell gemietet? Joseph Anton, richtig? Ach, nicht Joseph Anton? Natürlich, ja, Rea wer? Wie buchstabiert man das? Und wer ist das noch mal? Ach, er ist tatsächlich Verleger? Ja, schon okay. Und Joe, wie heißt Fitz eigentlich mit vollständigem Namen? Okay, irgendwer sollte jetzt lieber an die Tür gehen. Er sagte: »Da müsst ihr besser werden.« Später schrieb er die Tarngeschichte auf und heftete sie an die Tür zum Wohnzimmer.
Die Gerichtsvollzieher standen vor dem Haus, weil die Bulsaras mit der monatlichen Zahlung von fünfhundert Pfund in Rückstand geraten waren. Fitz nahm sich der Sache an und telefonierte mit dem Anwalt der Bulsaras, der den Gerichtsvollziehern einen Brief schickte, in dem er versicherte, dass der Brief mit dem Scheck in der Post sei. Also konnten die Gerichtsvollzieher theoretisch jeden Monat wieder auftauchen? Und sie könnten auch morgen zurückkommen, falls der Scheck doch nicht in der Post war? Was war los mit den Finanzen der Bulsaras? Er fand das unerträglich; sein so solide wirkendes Haus geriet ins Schwanken, weil die Vermieter Geldprobleme hatten; und in den Monaten, die es noch dauerte, seine neue Bleibe herzurichten, würde er bestimmt wieder heimatlos sein. Fitz aber ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Ich rede mit ihnen«, sagte er. Die Gerichtsvollzieher sind nie wieder aufgetaucht.
*
Da war das Problem seiner Gesundheit und das damit verwandte Problem der Angst. Er ging zum Arzt – einem gewissen, dem Special Branch bereits bekannten Dr. Bevan in St. John’s Wood, der schon öfter Patienten behandelt hatte, die unter Personenschutz standen –, doch Herz, Blutdruck sowie andere Vitalfunktionen waren so
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