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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Teufel zu steinigen«. Irans britischer Lakai Kalim Siddiqui quakte unter seinem Giftpilz hervor: »Rushdie ist der Feind Nummer eins des Islam.« Diesmal aber gab es auch Gegenprotest. Hundertfünfzehn Europa-Abgeordnete unterschrieben ein Kommuniqué, in dem sie ihr »tiefes Mitgefühl für die fortdauernden Schwierigkeiten« ausdrückten, die der Autor zu erdulden habe, und riefen sämtliche Mitgliedsstaaten der EU auf, Druck auf den Iran auszuüben, die Drohung zurückzunehmen. David Gore-Booth sagte, Douglas Hogg und das Außenministerium folgten einer »sehr vielversprechenden Linie«, doch wolle man die Wahl zum iranischen Majlis im April abwarten. Dann wolle man darauf hinarbeiten, dass das Kopfgeld zurückgezogen und die Fatwa formell eingegrenzt wurde – soll heißen, die Iraner sollten erklären, dass die Fatwa nur innerhalb des Irans galt –, ein erster Schritt zu ihrer völligen Aufhebung.
    Er fühlte sich ein wenig ermutigt. Immerhin sah sich die Regierung durch den Druck der Unterstützungskampagne genötigt, neue Ideen in seinem Fall zu entwickeln.
    Dann geschah etwas sehr Überraschendes. Frances und Saïd Essoulami, der Nahostexperte von Artikel 19, schrieben an den iranischen Geschäftsträger und baten um ein Gespräch – und die Iraner waren einverstanden. Am Morgen des 14. Februar 1992 trafen sich Frances und Saïd mit Vertretern des Irans, um über die Fatwa und das Kopfgeld zu reden. Die Iraner rückten nur wenig von ihren Positionen ab, doch fand Frances, dass die Pro-Rushdie-Öffentlichkeit sie spürbar aufgeschreckt hatte. Sie beharrten ihr und Saïd gegenüber darauf, dass die britische Regierung am Fall Rushdie nicht interessiert sei. (Als Kunde von diesem Treffen an die Presse gelangte, versuchten die Iraner zu leugnen, dass es stattgefunden hatte; dann behaupteten sie, nur ein ›regionaler Angestellter‹ habe daran teilgenommen, aber niemand vom regulären diplomatischen Personal.)
    Überall auf der Welt gab es an diesem Tag Proteste und Unterstützungserklärungen. Siebzehn Millionen Menschen sahen in Frankreich ein Fernsehinterview mit ihm, die höchste in Frankreich je gemessene Zuschauerbeteiligung für eine Sendung, bei der es sich nicht um die Abendnachrichten handelte. An jenem Abend sprach er in Londons Stationers’ Hall zu einem Publikum von Schriftstellern und Freunden: »Ich weigere mich, eine Unperson zu sein. Ich weigere mich, auf mein Recht zur Publikation meiner Werke zu verzichten.« Über die Veranstaltung wurde in der britischen Presse überwiegend positiv berichtet, nur The Independent vergaß, sie überhaupt zu erwähnen.
    *
    Angela Carter starb am 16. Februar 1992. Als der Anruf kam, stand er im Wohnzimmer, und er weinte. Kurz darauf lud man ihn zur Late Show ein, um über sie zu reden. Ein öffentlicher Auftritt war das Letzte, was er wollte, aber Alan Yentob sagte: »Wenn schon einer über sie redet, dann hätte Angela gewollt, dass du es bist«; also schrieb er einen Text und wurde zum Studio gebracht. Bei seiner Ankunft sagte er: »Ich mache nur eine Aufnahme, zwei schaffe ich nicht.« Irgendwie brachte er es hinter sich und fuhr wieder nach Hause. Eine schriftliche Version des vor der Kamera Gesagten erschien in The New York Times . Er hatte gerade den Essay über den Zauberer von Oz beendet und erinnerte sich, dass es Angela gewesen war, die ihm als Erste von dem schrecklichen Benehmen der Munchkins in Hollywood erzählt hatte, von ihrer Sauferei und Zügellosigkeit. Besonders gefiel ihr die Geschichte von dem besoffenen Munchkin, der in der Toilettenschüssel feststeckte. Er widmete ihr den schmalen Band. Anders als der alte Schwindler Oz, der Große und Schreckliche, sei sie eine wirklich gute Zauberin gewesen , schrieb er in dem Zeitungsartikel, und eine sehr gute Freundin .
    Sie hatte detaillierte Vorsorge für ihr Begräbnis getroffen, und ihm wurde aufgetragen, Andrew Marvells Gedicht ›On a Drop of Dew‹ (Auf einen Tautropfen) zu lesen:
    So the Soul, that Drop, that Ray
    Of the clear Fountain of Eternal Day …
    Does, in its pure and circling thoughts, express
    The greater Heaven in an Heaven less.
    So auch die Seele, Tropfen, Strahl
    Des klaren Brunnens ohne Zeit und Zahl …
    Bezeugte sie in runder Denkbahn klar
    Im kleinren Himmel, was der größre war.
    Am Tag vor dem Begräbnis brachten die Boulevardzeitungen erneut unangenehme Artikel über Elizabeth und die ›Kosten‹, die sie der Nation aufbürdete. Allerdings verfügte die Presse

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