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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Bragg und viele mehr – planten zum dritten Jahrestag der Fatwa eine öffentliche Veranstaltung, zu der viele Schriftsteller kommen sollten. Günter Grass sagte zu, ebenso Mario Vargas Llosa und Tom Stoppard; und wer nicht kommen konnte, wie etwa Nadine Gordimer und Edward Said, der versprach, eine Videobotschaft zu schicken. Nicht bekanntgemacht wurde, dass er selbst einen ›Überraschungsauftritt‹ plante. Ort der Veranstaltung war die Stationers’ Hall, der alte Zunftsaal, in dem er viele Jahre zuvor, in einem anderen Leben, den Booker-Preis erhalten hatte.
    Jener junge Schriftsteller hätte sich von seinen Verlegern nicht anhören müssen, dass sie sich weigerten, eine Taschenbuchausgabe zu veröffentlichen, aber diese goldenen Jahre waren vorbei. Bei Gillon zu Hause traf er Peter Mayer, und Mayer sprach endlich Klartext. Nein, er könne sich nicht vorstellen, dass Penguin in absehbarer Zeit eine Taschenbuchausgabe von Die satanischen Verse herausbringe, allerdings stehe er persönlich mit seinem Wort dafür ein, dass die gebundene Ausgabe lieferbar bleibe; und ja, er sei bereit, die Rechte an der Taschenbuchausgabe an den Autor zurückfallen zu lassen, so dass zur Herausgabe eine Art Konsortium gebildet werden könne. Trotz des schockierenden Augenblicks gab sich jedermann Mühe, höflich und freundlich zu bleiben. Auch Mayers Anwalt Martin Garbus war zugegen und meinte, für Amerika sei ein von der Vereinigung amerikanischer Buchhändler, dem dortigen PEN -Zentrum und dem Autorenverband Authors’ Guild geführtes Konsortium denkbar. Am nächsten Tag rief er Frances D’Souza an und erklärte, ohne dazu in irgendeiner Weise befugt zu sein, dass er dieses Konsortium gründe, und fragte, ob Artikel 19 bereit sei, als britischer Verleger des Taschenbuchs zu fungieren. (Garbus sagte später in The New York Times , er habe tatsächlich hinter der Bildung dieses Konsortiums gestanden, eine Behauptung, die der Wahrheit so eklatant widersprach, dass sie rasch zurückgewiesen wurde.)
    Sein Leben war wie ein windiger Tag, an dem Wolken über den Himmel huschten und immer wieder die Sonne verdeckten: erst Dun kelheit, dann plötzlich Licht, dann wieder Düsternis. Am Tag nach dem Penguin-Treffen wurde Sameens zweites Kind im Florence Ward des Northwick Park Hospital in Harrow geboren: Mishka, eine Tochter. Sie sollte zu einer Klavierspielerin heranwachsen und Musik in eine Familie bringen, die bis dahin auf geradezu lachhafte Weise unmusikalisch gewesen war.
    Vom Special Branch wurde ihm mitgeteilt, dass noch immer Einheiten der Hisbollah nach ihm suchten, um ihn zu ermorden. Die Gefahreneinschätzung blieb unverändert und war weiterhin ›absurd hoch‹.
    In New York traf sich Andrew mit Giandomenico Picco, jenem Unterhändler der Vereinten Nationen, der die Freilassung der Geiseln im Libanon bewirkt hatte, darunter auch die von John McCarthy. Zum Fall Rushdie meinte Picco: »Ich habe mich damit befasst und befasse mich weiterhin damit.« Einige Monate später konnte sich der Unsichtbare in Washington, D. C., mit dem geheimen Unterhändler treffen, und Picco gab ihm einen Rat, den er nie vergessen sollte. »Will man einen solchen Deal aushandeln«, sagte Picco, »besteht das Problem darin, dass man viel Zeit damit verbringt, darauf zu warten, dass der Zug in den Bahnhof einfährt, nur weiß man nicht, in welchem Bahnhof er ankommt. Die Kunst des Unterhändlers besteht also darin, auf so vielen Bahnhöfen wie möglich zu warten, damit er dort ist, wenn der Zug einfährt.«
    In Berlin begann die tageszeitung eine Kampagne mit dem Titel ›Briefe an Salman Rushdie‹. Die Briefe sollten in zwei Dutzend Zeitungen in Europa und Amerika nachgedruckt werden – Peter Carey, Günter Grass, Nadine Gordimer, Mario Vargas Llosa, Norman Mailer, José Saramago und William Styron gehörten zu den Autoren, die sich bereit erklärten, dazu beizutragen. Als Carmel Bedford bei Margaret Atwood anrief und sie bat, einen Brief zu verfassen, sagte die mächtige Peggy: »Oje, was könnte ich denn nur schreiben?« Woraufhin Carmel mit stahlharter irischer Chuzpe antwortete: »Lassen Sie sich was einfallen.« Ein großer Schriftsteller schrieb ihm nicht, rief aber an, und wohl nichts war so aufregend, wie von ihm zu hören. Es war Thomas Pynchon, ein weiterer Unsichtbarer, der sich meldete, um ihm für seine Besprechung von Vineland in The New York Times Book Review zu danken und besorgt zu fragen, wie es ihm gehe. Er antwortete, indem er

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