Joseph Anton
Taschenbuchausgabe von Die satanischen Verse durchsetzen und dafür sorgen, dass die Fatwa widerrufen wurde. Er wusste, alle Vorsätze würde er nicht einhalten können, aber drei, vier von fünf, das wäre doch prima. In den nächsten sechs Wochen nahm er fünfzehn Pfund ab. Immerhin ein guter Anfang. Er kaufte seinen ersten Computer. Wie viele in Sachen Technologie eher altmodisch eingestellte Menschen fürchtete er, seine Art und Weise zu schreiben könnte sich verändern. Jahre zuvor hatte er gemeinsam mit Fay Weldon in Kentish Town gelesen, und aus dem Publikum kam die Frage: »Wenn Sie tippen und einen Satz ›überixen‹, schreiben Sie dann weiter oder legen Sie ein neues Blatt ein und tippen die Seite noch mal neu?« Beide, Fay und er, hatten geantwortet, dass sie natürlich die Seite herausnähmen und noch einmal von vorn begännen. Wie so viele Schriftsteller hegten sie eine fetischistische Vorliebe für das saubere, fehlerlose Blatt; und allein die Leichtigkeit, mit der sich dank dieser wundersamen Maschine eine Seite ›bereinigen‹ ließ, hatte ihn von ihrem Wert überzeugt. Des Mauren letzter Seufzer würde der erste Roman sein, den er auf dem Computer schrieb.
Das Haus in der St. Peter’s Street musste verkauft werden. Seine Ausgaben waren enorm, und er würde das Geld gut gebrauchen können. Während die Regenbogenpresse weiter darüber klagte, wie viel Geld er England kostete, waren seine eigenen Rücklagen fast aufgebraucht. Er hatte ein kugelsicheres Bimbomobil sowie ein großes Haus gekauft (und eingerichtet), in dem er und seine Bodyguards wohlgemut bis ans Ende ihrer Tage leben konnten. Er erwarb außerdem eine Dreizimmerwohnung in Hampstead, damit Elizabeth eine ›öffent liche‹ Adresse hatte, und machte ihr die Wohnung zum Geschenk. Zum Glück wollte Robert McCrum von Faber and Faber das Haus in Islington kaufen, und sie wurden sich rasch einig. Nur wurde es mit dem Verkauf dann erst mal nichts, da der Verkauf von Roberts altem Haus scheiterte. Er sagte jedoch, es gebe weitere Interessenten, weshalb Rushdie hoffte, die Sache bald abschließen zu können.
Er traf Duncan Slater ein letztes Mal, ehe dieser als britischer Botschafter nach Malaysia ging. Sie unterhielten sich drei Stunden lang, und ihr Gespräch lief letztlich darauf hinaus, dass › HMG ‹ der Lärm zu schaffen machte, den er veranstaltet hatte, insbesondere durch seinen Auftritt an der Columbia. »Hurd sieht ein, dass Sie eine große Anhängerschaft haben«, erzählte Slater. »Die ist mit seiner nicht unbedingt identisch, lässt sich aber auch nicht ignorieren.« Der Außenminister begriff, dass sich der Fall Rushdie nicht unter den Teppich kehren ließ. »Vielleicht erreichen wir, dass das Kopfgeld zurückgenommen wird«, sagte Slater. Das wäre schon mal ein guter Anfang, erwiderte er. »Was Ihre Pläne mit der Taschenbuchausgabe betrifft, ist das Außenministerium allerdings gar nicht glücklich.«
Einige Tage später, an Elizabeths Geburtstag, hörten sie, dass Angela Carters Krebs sich auf beide Lungenflügel ausgedehnt hatte. Das Atmen fiel ihr schwer; ihr blieben bloß noch wenige Wochen. Ihr Junge, der kleine Alex, wusste Bescheid. Der Gedanke, sie zu verlieren, schien unerträglich, doch wie seine Mutter schon gesagt hatte: Was man nicht heilen kann, muss man erdulden . Zwei Wochen später lud Angela ihn zum Tee ein. Das war ihre letzte Begegnung. Als er ins altvertraute Haus in Clapham kam, sah er, dass sie sich für ihn aus dem Bett gehievt und angezogen hatte, um aufrecht in einem Sessel sitzen und ihm Tee einschenken zu können, ganz wie es sich für eine Gastgeberin gehörte. Er sah ihr an, welche Anstrengung es sie kostete und wie viel es ihr bedeutete, also verbrachten sie einen richtigen Teenachmittag zusammen und lachten, so viel sie konnten. »Die Leute von der Versicherung werden stinksauer sein«, krähte sie, »ich habe nämlich erst drei Jahresbeiträge für eine neue anständige Lebensversicherung gezahlt, und jetzt müssen sie mit dem Geld rausrücken. Meine Jungs sind also gut versorgt.« Ihre Jungs, das waren ihr Mann Mark, der wie stets stumm an ihrer Seite saß, und ihr Sohn Alex, der sich nicht im Haus befand. Kurz darauf war sie erschöpft, und er erhob sich, um ihr zum Abschied einen Kuss zu geben. »Pass auf dich auf«, sagte sie, und das war’s. Vier Wochen später war sie tot.
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Seine engsten Freunde – Caroline Michel, Richard und Ruth Rogers, Alan Yentob, Philippa Walker, Melvyn
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