Joseph Anton
über kein Foto von ihr, und die Polizei warnte ihn, wenn sie gemeinsam zur Beerdigung gingen, würden ihnen die Paparazzi auflauern und ihr Foto bekommen, was Elizabeth größter Gefahr aussetzte. Er sagte, dann gingen sie eben getrennt, und Helen Hammington glitt die verständnisvolle Maske vom Gesicht. Hinsichtlich seiner öffentlichen Auftritte stelle er zu viele Forderungen an den Special Branch, sagte sie. »Alle, um die Sie sich sonst kümmern«, erwiderte er, »haben ein volles Tagesprogramm mit Veranstaltungen und Auftritten, aber bei mir beklagen Sie sich. Ich möchte zur Beerdigung meiner Freundin, und Sie sagen, ich verlange zu viel.« – »Ja«, antwortete sie, »aber alle, um die wir uns sonst noch kümmern, haben ihrem Land einen Dienst erwiesen – und das haben Sie meiner Meinung nach nicht.«
Letztlich ging Elizabeth dann nicht mit zum Putney-Vale-Friedhof. Es war kein einziger Pressefotograf anwesend. Die Polizei hatte sich geirrt, was sie natürlich nicht zugab. Sie hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, wie immer. Doch er würde sein Leben nicht länger nach dem schlimmsten Fall ausrichten. Das machte ihn zu einem Gefangenen. Er aber ließ sich nicht zum Gefangenen machen. Er war ein unschuldiger Mensch, der sich bemühte, das Leben eines freien Mannes zu führen.
Michael Berkely erzählte ihm hinterher, dass die Anwesenheit so vieler Polizisten auf dem Gelände des Krematoriums für folgenden Wortwechsel bei den Trauergästen der vorhergehenden Bestattung gesorgt hatte: »Muss ja jemand mächtig Wichtiges als Nächstes dran sein.« Und gerade, als Michael ›Ja‹ rufen wollte, jemand wirklich Wichtiges, Angela Carter, hörte er die Antwort: »Ach was, bestimmt haben sie nur einen Ganoven für den Vormittag aus dem Knast gelassen, damit er seine Mutter zu Grabe tragen kann.«
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Seine Bodyguards blieben so freundlich, verständnisvoll und hilfreich, wie sie nur konnten. Als Zafar sein Geschick im Rugbyspiel beweisen wollte, nahm der Neue, Tony Dunblane – der mit dem flotten Schnauzer und seinen Tweedjacken wie ein Vorstadtpirat aussah –, Vater und Sohn mit zum Polizeisportplatz in Bushey, und die Jungs stellten sich zur Dreiviertellinie auf, damit Zafar laufen und ihnen den Rugbyball zuspielen konnte. (Zafar hatte Aufnahmeprüfung und -gespräch für die Highgate School absolviert und zur großen Freude und enormen Erleichterung seiner Eltern einen Platz erhalten. Er wusste, er hatte etwas Großes geleistet, und sein Selbstvertrauen stieg, genau wie Mutter und Vater es sich erhofft hatten.) Elizabeth kümmerte sich ganz methodisch darum, Möbel und Tapeten fürs neue Haus auszusuchen, so als wären sie ein normales Paar, das sich gemeinsam ein Heim einrichtete. Tony brachte Bilder von den allerneuesten Hi-Fi-Anlagen sowie Fernsehgeräten und erbot sich, alles anzuschließen, sobald sie sich entschieden hatten und eingezogen waren. Als Robert McCrum dann endlich den Vertrag unterzeichnen und er das Haus in der St. Peter’s Street verkaufen konnte, brachte ihn die Polizei zurück ins Haus, das nicht länger sein Haus war, und half ihm, seine Sachen in Kisten zu verpacken, sie in einen wartenden LKW zu laden und in ein Polizeidepot zu bringen, wo sie bleiben sollten, bis sie ins neue Haus gebracht werden konnten. Die schlichte menschliche Freundlichkeit, die diese Männer jemandem erwiesen, der, wie Tony Dunblane sich ausdrückte, ›in einer verflucht teuflischen Klemme‹ steckte, sollte ihn immer wieder aufs Neue bewegen.
Selbst mit Elizabeths Hilfe dauerte es fast fünf Stunden, Mariannes Sachen einzupacken. Darin versteckt fand er Bilder von seiner Reise nach Nicaragua im Jahre 1986, die Anlass für seine Buchreportage Das Lächeln des Jaguars gewesen war. Auch sämtliche Negative. (Gillons Kollegin Sally Riley, die Marianne beauftragt hatte, ihre Habseligkeiten entgegenzunehmen, gab ihm später noch andere Funde zurück, so einen antiken Kopf der Gandhara-Kultur, ein Geschenk seiner Mutter, und eine Tasche mit Fotos – nicht jene aus den fehlenden Alben, aber die aussortierten, doppelten Bilder. Wenigstens besaß er jetzt wieder ein paar Erinnerungsstücke an sein Leben, ehe es von Marianne geplündert worden war. Besonders gut tat es, Aufnahmen von Zafars Geburt und ersten Augenblicken zurückzuerhalten. Die große Menge der fehlenden Fotografien aber, jene, die in die verlorenen Alben gehörten, fand sich nie wieder ein.)
Die Schwierigkeiten des Alltags – oder doch jene
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