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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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desaströse Verzerrung des Gewöhnlichen, die für ihn zum ›Alltag‹ geworden war – hielt ihn weiterhin wie ein Eindringling in Atem. Andrew Wylie hatte versucht, eine neue Wohnung zu kaufen; als der Genossenschaftsvorstand jedoch erfuhr, dass er Agent des Autors von Die satanischen Verse war, wurde sein Gesuch abgelehnt. Als Andrew ihm davon erzählte und sich dabei bemühte, so zu klingen, als würde ihm das nichts ausmachen, klang er schrecklich niedergeschlagen. Was für eine Belohnung für einen Mann, der so viel für den Autor getan hatte und noch tat. Zum Glück hatte diese Geschichte ein Happyend. Schon bald nach der Absage fand Andrew eine bessere Wohnung, und diesmal wurde er nicht abgelehnt.
    Dann platzte eine Bombe. Helen Hammington kam vorbei und zeigte die eiserne Faust im Samthandschuh. Sobald er und Elizabeth ins neue Haus eingezogen seien, erklärte sie, werde der Polizeischutz eingestellt, da der stellvertretende Polizeipräsident John Howley nicht bereit sei, die Sicherheit seiner Männer für eine Maßnahme zu riskieren, die unweigerlich auf offenen Personenschutz hinauslaufen würde.
    Was für ein atemberaubender Vertrauensbruch! Vom ersten Tag an, an dem er unter Personenschutz gestellt worden war, hatte man versichert, dass ihm dieser Schutz gewährt werden würde, bis die Gefahreneinschätzung laut Geheimdienst auf ein akzeptables Maß gesunken war. Das war nicht geschehen. Darüber hinaus waren es Howley und sein Handlanger Greenup gewesen, die angedeutet hatten, dass der Zeitpunkt für ihn gekommen sei, sich ein Haus zu kaufen. Sie hatten ihm dezidiert zugesichert, wenn die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, werde der Personenschutz selbst dann fortgesetzt, wenn bekannt würde, dass er in diesem Haus lebte. So hatten sie verlangt, ein freistehendes Haus mit einem Vorplatz und zwei separaten Zufahrten zu kaufen, mit einem elektrischen und einem manuell zu öffnenden Tor (falls einmal der Strom ausfiel), mit einer angebauten Garage, in deren automatischem Holztor eine kugelsichere Metallplatte steckte; sie hatten verlangt, dass er teure, schussfeste Fensterscheiben und Alarmsysteme anbringen ließ, vor allem aber hatte er ein Haus kaufen müssen, das doppelt so groß wie jenes war, das seinen und Elizabeths Ansprüchen genügt hätte, nur damit vier Polizeibeamte – zwei Bodyguards und zwei Fahrer – im Gebäude schlafen und ihr eigenes Wohnzimmer haben konnten. Er hatte riesige Summen dafür ausgegeben, jede ihrer Bedingung zu erfüllen, und nun, da er das Geld gezahlt und sich festgelegt hatte, sagten sie: »Okay, wir verschwinden dann.« Eine solch skrupellose Amoral war schon fast beeindruckend.
    Der wahre Grund waren die Kosten, das wusste er; die Kosten und die Presse, die glaubte, er verdiene nicht, was immer es erforderte, ihn auf anständige Weise zu beschützen, nämlich im offenen Personenschutz, so wie jedermann sonst auch.
    Zu jenem Zeitpunkt waren gewisse Dinge über die Fatwa bekannt, zwar nicht öffentlich, doch wussten jene Leute darüber Bescheid, die darüber Bescheid wissen mussten, so unter anderem der stellvertretende Polizeipräsident Howley und er selbst. Die Bedrohung war keineswegs nur theoretisch. Innerhalb des iranischen Ministeriums für Nachrichtenwesen gab es eine besondere Task-Force, deren Aufgabe es war, einen Plan zu erarbeiten, der Khomeinis Befehl in die Tat um setzte. Diese Task-Force besaß einen Codenamen, und für alle Be fehle bestand eine Genehmigungskette. Ein Plan wurde entwickelt, dann von diversen Ebenen bis hinauf zum Präsidenten genehmigt und schließlich von der religiösen Führerschaft abgezeichnet. Das war der im Iran übliche modus operandi . Die Task-Force, von der Shapur Bakhtiar umgebracht wurde, hatte höchstwahrscheinlich nach dieser Methode gearbeitet. Dass Howley mit diesem Wissen und so bald nach der Ermordung Bakhtiars bereit sein sollte, den Personenschutz einzustellen, verriet allerhand über sein Denken. Wir haben noch nie jemanden verloren , hatten die Mitglieder seines Teams stolz verkündet, Howley aber sagte ihm etwas ganz anders. Uns ist es egal, ob wir Sie verlieren . Und das fühlte sich … nicht gut an.
    Er sagte zu Elizabeth, sie müsse an ihre eigene Sicherheit denken. Wenn die Polizei ihre Beamten abzog, ließe sich nicht vorhersagen, wie gefährlich es werden würde. »Ich verlass dich nicht«, antwortete sie.
    Irgendwie gelang es ihm, ein wenig zu arbeiten. Er schrieb einen Abstract

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