Joseph Anton
sei, redete von Angriffen auf die schöpferische und intellektuelle Freiheit überall in der muslimischen Welt, und er sprach den versammelten Senatoren seinen Dank für ihre Unterstützung aus. Moynihan nahm das Mikro und sagte, es sei ihm eine Ehre, an seiner Seite stehen zu dürfen. Er war ganz offensichtlich nicht mehr in England. Da redeten Politiker anders über ihn.
Sie aßen zu Abend – in einem Restaurant! – mit Scott und Barbara Armstrong sowie Carol und Christopher Hitchens. Marianne wohne in Washington, sagte Christopher, doch nehme er nicht an, dass sie etwas Unfreundliches über ihn sagen werde, da das den ›Verbindungen‹ mit jenen Leuten schaden könnte, die sie unbedingt kennenlernen wolle. Sie verhielt sich tatsächlich still, was ein Segen für ihn war. Am nächsten Tag hatte er eine einstündige Sondersendung mit Charlie Rose, am Nachmittag eine einstündige Radio-Livesendung mit John Hockenberry vom NPR , bei der er den Zuhörern Rede und Antwort stand. Ein neunjähriges Mädchen namens Erin rief an und fragte: »Haben Sie Spaß, Mr Rushdie, wenn Sie Ihre Bücher schreiben?« Er antwortete, er habe jede Menge Spaß beim Schreiben von Harun und das Meer der Geschichten gehabt. »Na klar«, sagte Erin, » das Buch habe ich gelesen. Ist ein echt gutes Buch.« Später rief eine Muslimin namens Susan an, die viel weinte, und als Hockenberry sie fragte, ob sie finde, dass man Mr Rushdie ermorden solle, sagte sie: »Da muss ich erst noch ein bisschen von ihm lesen.«
Scott hatte seinen Freund Bob Woodward um Hilfe gebeten und war verblüfft, sagte er, »über das Ausmaß von Bobs Engagement«. Woodward hatte etwas ganz Besonders vereinbart: Tee mit der legendären Katharine Graham, der Eignerin der Washington Post .
Im Auto auf dem Weg zu Mrs Grahams Haus war er so müde, dass er fast eingeschlafen wäre. Doch Adrenalin kann ein überaus hilfreicher biochemischer Stoff sein, und kaum befand er sich in Gegenwart der großen Dame, war er wieder hellwach. Amy Schwartz, die Kolumnistin der Meinungsseite, war ebenfalls gekommen. Sie schriebe, hieß es, die Leitartikel über ihn. Und nicht alle waren positiv ausgefallen. David Ignatius, der Auslandsredakteur, war auch da und wollte mit ihm über die Wahl im Iran sprechen. Don Graham, Mrs Grahams Sohn, »steht hundertprozentig auf unserer Seite«, sagte Scott.
Die meiste Zeit musste er das Reden besorgen. Die Journalisten der Post stellten Fragen; er antwortete. Mrs Graham sagte kaum ein Wort, nur als er sich direkt an sie wandte und fragte, warum die US-Regierung ihrer Meinung nach so betont gleichgültig reagiert habe, erwiderte sie: »Dies ist eine seltsame Regierung. Sie hat so wenige Machtzentren. Eines davon ist Baker. Ein komischer Kauz; er scheint immer eigene Ziele zu verfolgen.« Ignatius warf ein, was Woodward ähnlich bereits gesagt hatte: »Der beste Weg zur Regierung könnte über Barbara Bush führen.« Nach diesem Treffen sagte er zu Scott, er hoffe nur, dass die Post ihn von nun an unterstütze. »Kay Graham hätte Sie nicht eingeladen«, erwiderte Scott, »wenn die Entscheidung, Sie zu unterstützen, nicht bereits gefallen wäre.« Also hatte sich der Aufwand gelohnt. The New York Times hatte bereits signalisiert, dass sie ihn unterstützen werde, wenn andere Zeitungen mitmachten. Falls Graham also dabei war, dann auch Sulzberger. Andrew meinte, er könne Dow Jones überzeugen, und Scott glaubte, Gannett auf ihre Seite bringen zu können. Er wollte ein zweiteiliges Statement aufsetzen lassen, dass sie unterzeichnen sollten: Unterstützung der Taschenbuchausgabe, und Unterstützung des Autors gegen die Fatwa, sowie letztlich die Forderung an die US -Regierung, sich ihnen anzuschließen und ihn ebenfalls zu unterstützen.
The New York Times wartete das Statement gar nicht erst ab. Wie aufgeschreckt durch sein Treffen mit ihren Rivalen in Washington, brachte die Times am Morgen nach dem Tee mit Königin Kay einen Leitartikel, in dem das Weiße Haus und das Außenministerium für ihre lasche Haltung scharf angegriffen wurden. » Diese Haltung passt leider auch zu dem Geschwafel, das seit drei Jahren von offizieller Seite zu hören ist, also seit Ayatollah Khomeini Die satanischen Verse gotteslästerlich genannt und zur Ermordung von Autor und Verleger aufgerufen hat. Mr Rushdie lebt seither im Untergrund. Sein japanischer Übersetzer wurde erstochen, der italienische Übersetzer durch einen Messerüberfall schwer verwundet. Auf Gegner
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