Joseph Anton
äußern, doch soweit ich mich erinnere, habe ich auch ziemlich viel Positives über deine Inszenierung gesagt. Natürlich war es falsch von mir, das Thema zu wechseln und mit Antonia über ihr Buch über den Gunpowder Plot zu sprechen. (Ich gebe zu, dass ich in letzter Zeit großes Interesse an Menschen habe, die alles in die Luft jagen wollen.) Aus dem Augenwinkel habe ich gesehen, dass Du kochtest und kurz vor der Kernschmelze standest. Das China-Syndrom drohte. Um es zu verhindern, sagte ich: »Harold, habe ich dir eigentlich gesagt, dass deine Oleanna- Inszenierung einfach absolut total genial ist?« – »Nein«, sagtest Du mit grimmig gebleckten Zähnen. »Nein, das hast du mir nicht gesagt.« – »Harold«, sagte ich. »deine Oleanna -Inszenierung ist einfach absolut total genial.« – »Nun, das klingt schon besser«, sagtest Du, und die nukleare Katastrophe war gebannt. Ich war lange stolz darauf, mich rühmen zu können, niemals ›gepintert ‹ worden zu sein, und ich bin froh, einen Weg gefunden zu haben, diesen Rekord zu halten.
Er reiste nach Prag, um Präsident Václav Havel zu treffen, und Havel begrüßte ihn überaus herzlich, endlich lernen wir uns kennen! , und sprach in der Öffentlichkeit derart überschwänglich von ihm, dass sein großer Gegenspieler, der rechte Premierminister Václav Klaus, sich von der Begegnung ›distanzierte‹ und behauptete, sie sei rein ›privater‹ Natur gewesen und er habe nichts davon gewusst (dabei hatte die tschechische Polizei ihm einen Wagen aus Klaus’ Fuhrpark zur Verfügung gestellt). Klaus sagte, er hoffe, es werde die tschechischen Beziehungen zum Iran nicht ›verletzen‹.
Er nahm an der internationalen P.E.N.-Konferenz in Santiago de Compostela teil – die Iberer machten keine Schwierigkeiten – und wurde zu jüngsten Pressemeldungen befragt, laut denen Prinz Charles ihn angegriffen habe. Er wiederholte, was Ian McEwan anlässlich einer Lesereise eine Woche zuvor zu spanischen Journalisten gesagt hatte: »Der Schutz von Prinz Charles kostet sehr viel mehr als der Rushdies, dabei hat Prinz Charles nie etwas von Belang geschrieben.« Er kehrte nach London zurück, wo die Daily Mail ihn bezichtigte, so etwas wie Verrat begangen zu haben, weil er es gewagt hatte, eine scherzhafte Bemerkung über den Thronfolger zu machen. »Er missbraucht die Freiheit, für die wir zahlen«, schrieb die Kolumnistin Mary Kenny. Fünf Tage später wurde Mitternachtskinder zum ›Booker of Bookers‹ erklärt, zum besten Buch, das den Preis in den fünfundzwanzig Jahren seines Bestehens gewonnen hatte. Er konnte sich kaum einen Tag über diese Ehre freuen, als das Pendel wieder in die andere Richtung schwang und das Unheil abermals zuschlug.
*
Am Morgen nach seiner Rückkehr von der Frankfurter Buchmesse wollte William Nygaard gerade zur Arbeit fahren, als er sah, dass sein Wagen hinten einen Platten hatte. Er ahnte nicht, dass der Reifen von einem Heckenschützen aufgeschlitzt worden war, der sich im Gebüsch hinterm Auto versteckte. Der Schütze hatte damit gerechnet, dass William auf ihn zukommen würde, um den Kofferraum zu öffnen und den Ersatzreifen rauszuholen, womit er ein leichtes Ziel gewesen wäre. Doch William war der Chef eines großen Verlagshauses und dachte nicht daran, den Reifen selbst zu wechseln. Er holte sein Handy hervor und rief den Pannendienst an. Jetzt hatte der Schütze ein Problem: Sollte er die Deckung verlassen und sich zeigen, um sein Ziel zu treffen, oder sollte er aus dem Hinterhalt schießen, obwohl William nicht da stand, wo er ihn haben wollte? Er beschloss zu schießen. William wurde dreimal getroffen und fiel zu Boden. Eine Gruppe Dreizehnjähriger sah einen Mann mit ›dunkler, schlechter Haut‹ davonrennen, doch der Schütze wurde nicht gefasst.
Hätte William keine so gute Konstitution gehabt, wäre er höchstwahrscheinlich gestorben. Doch das Skiass von einst war immer noch körperlich fit, und das rettete ihm das Leben. Noch außergewöhnlicher war, dass die Ärzte, nachdem er die Intensivstation verlassen hatte, zu dem Schluss kamen, dass er vollständig genesen werde. Die drei Kugeln hatten seinen Körper just an den drei Stellen durchschlagen, an denen sie ihn weder töten noch zum Krüppel machen konnten. Der große Verleger Willam Nygaard war auch ein Glückskind.
Als er erfuhr, dass auf William geschossen worden war, wusste er, dass die Kugeln auf seinen Freund ihm gegolten hatten. Er musste an Williams Stolz auf
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