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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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politischen Muskeln spielen lassen konnte, zeigte er sich kooperativ und geradezu ehrerbietig. Der Branch signalisiere Verständnis für seine Forderung, bewaffnetes Personal von seinem Grundstück abzuziehen, sagte er, und er habe einen Vorschlag zu machen. Wenn Sie bereit wären, einen aus dem Branch ausscheidenden Beamten oder Fahrer anzustellen, vielleicht sogar einen der Beamten, die Sie im Laufe der Zeit kennengelernt haben, könnten wir uns möglicherweise aus Ihrem Haus zurückziehen. Die Verantwortung für Ihre privaten Unternehmungen lägen dann ausschließlich bei besagter Person, und nur wenn Sie öffentlich in Erscheinung treten, würden wir für Ihren Personenschutz sorgen.
    Ja! , dachte er sofort. Ja, bitte . »In Ordnung«, sagte Armstrong. »Damit können wir erst mal was anfangen.«
    Er sprach mit Frank Bishop, Flüster-Frank, dem Kricketfan und freundlichen Schutzbeamten, mit dem Elizabeth und er am freundschaftlichsten verbunden waren. Frank stand kurz vor der Pensionierung und war für seinen neuen Job bereit. Dennis das Pferd war ebenfalls kurz vor der Rente und könnte sich als Reservemann ein Zusatzhonorar verdienen, falls Frank einmal krank oder in Urlaub war. »Natürlich muss ich das noch mit meiner Frau besprechen«, sagte Frank, und das war nur recht und billig.
    *
    Frances D’Souza hatte einen ›Kumpel beim MI 6‹, der ihr gesteckt hatte, die Schnüffler seien über Elizabeths Schwangerschaft genau im Bilde und wüssten, dass sie damit ›höchstens drei Jahre‹ hätten, um ›die Sache zu regeln‹. Dass sein Baby Politik machte, ließ ihn schmunzeln. MI 6, so Frances’ Kumpel, habe dem Auswärtigen Amt Beweise für die Ausweitung des iranischen Terrorismus geliefert, »zehnmal stärker als die Saudis, die Nigerianer oder sonst irgendwer«, woraufhin die britische Regierung eingesehen habe, dass es keinen Grund gab, zum Iran nett zu sein, der ›kritische Dialog‹ sei Mumpitz und sämtliche politischen und wirtschaftlichen Bemühungen um das Land müssten aufhören. Die Franzosen und die Deutschen würden sich noch querstellen, doch MI 6 sei zuversichtlich, dass die neue ›harte Linie‹ die Mullahs in rund zwei Jahren ›in die Knie zwingen‹ würde. Das glaube ich erst, wenn ich’s sehe , dachte er.
    *
    Und stets rauschen ganz nah die Flügel der riesigen schwarzen Krähe, die Schwingen des Todesengels. Andrew rief an und sagte, Allen Ginsberg habe inoperablen Leberkrebs und noch einen Monat zu leben. Und es gab noch schlimmere Nachrichten. Nigella rief an. John Diamond hatte Kehlkopfkrebs. Die Ärzte versuchten sie zu beschwichtigen. Es sei wie »eine Art innerlicher Hautkrebs«, der sich durch Strahlentherapie heilen lasse. Sieben Jahre zuvor sei Sean Connery erfolgreich behandelt worden. »Ich fühle mich so schutzlos«, sagte Nigella traurig.
    Schutzlos war ein Gefühl, das er sehr gut kannte.
    Isabel Fonseca hatte mit Elizabeth gesprochen und den wunderschönen, vor rosa Flieder und lila und weißen Cosmeen strotzenden Garten ihrer Mutter in East Hampton für die Hochzeitsfeier angeboten, und das klang ausgezeichnet. Doch ein paar Tage später tat Elizabeth das, was Menschen immer tun: Sie las sein Tagebuch, als er nicht da war, und erfuhr von seinem Pariser Stelldichein mit Caroline Lang. Es folgte die quälende Unterhaltung, die Menschen in so einem Fall führen, und nun war Elizabeth diejenige, die sich elend und schutzlos fühlte, und das seinetwegen.
    Die folgenden zwei Tage redeten sie über nichts anderes, und ganz allmählich und unter Rückschlägen gelang es ihr, darüber hinwegzukommen. »Früher habe ich mich deiner so sicher gefühlt. Ich glaubte, nichts könnte uns auseinanderbringen«, sagte sie. Oder: »Ich will in unserer Beziehung keinen weiteren Ärger mehr. Das würde mich umbringen.« Und dann wieder: »Inzwischen ist es mir ein echtes Anliegen, verheiratet zu sein, denn dann hättest du mich nicht betrogen.« – »Du meinst, in unserer Ehe?« – »Genau.«
    Sie träumte von seiner Untreue, und er träumte, er träfe Marianne in einem Biosupermarkt und bäte sie, ihm seine Sachen zurückzugeben. »Die gebe ich niemals zurück«, antwortete sie und rollte mit ihrem Einkaufswagen von dannen.
    Der Schock, der Schmerz, die Tränen und die Wut kamen in Wellen und legten sich wieder. Bis zur Geburt war es nur noch ein Monat. Sie beschloss, die Zukunft sei wichtiger als die Vergangenheit, und verzieh ihm oder erklärte sich zumindest bereit zu

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