Joseph Anton
gefunden und bräuchte dazu nur ein oder zwei Männer.« Er versuchte ruhig zu bleiben. Er merkte an, dass er zu Beginn der Schutzmaßnahmen eine Frau gehabt habe, deren Name sehr wohl bekannt gewesen sei und deren Bild auf jeder Titelseite geprangt hätte, und dennoch sei sie nach Lust und Laune in seinen zahlreichen Schlupflöchern aus und ein spaziert und die Polizei hätte nichts dagegen gehabt. Jetzt habe er eine Verlobte, deren Name fast völlig unbekannt und deren Foto nie irgendwo aufgetaucht sei. Es sei einfach irrsinnig, aus ihr ein Problem zu machen.
Und er sagte noch sehr viel mehr. Er sagte: »Das Einzige, worum ich bitte, ist, das diese britische Familie ihr Leben leben und ihr Kind großziehen kann.« Und auch: »Sie können von keinem verlangen, nicht der zu sein, der er ist, und nicht die Arbeit zu tun, die er tut. Sie können nicht verlangen, dass Elizabeth nicht ihren Namen unter ihre Arbeit setzt, und Sie müssen akzeptieren, dass unser Kind auf die Welt kommt und heranwächst und Freunde hat und zur Schule geht; es hat ein Recht auf ein lebenswertes Leben.«
»All das wird im Innenministerium auf höchster Ebene diskutiert«, sagte Helen.
*
Bei den iranischen Präsidentschaftswahlen am 24. Mai 1997 erlitt der ›offizielle Kandidat‹ gegen den ›moderaten‹, ›reformfreudigen‹ Kandidaten Mohammad Khatami eine schwere Schlappe. Auf CNN forderten junge iranische Frauen Denkfreiheit und eine bessere Zukunft für ihre Kinder. Würden sie bekommen, was sie wollten? Würde er es bekommen? Würden die neuen Leute im Iran und in England das Problem endlich lösen? Khatami schien sich als eine Art Gorbatschow zu gerieren, der für Reformen im bestehenden System sorgen wollte. Das mochte sich als ebenso unzulänglich erweisen wie Glasnost und Perestroika . So recht konnte er über Khatami nicht aus dem Häuschen geraten, es hatte schon zu viele trügerische Hoffnungen gegeben.
Am Dienstag, den 27. Mai ging Elizabeth nachmittags um vier zu ihrem Gynäkologen Mr Smith. Kaum war sie zu Hause, begannen gegen Viertel nach sechs heftige Wehen. Er alarmierte das Wachteam, griff sich die Tasche, die seit über einer Woche gepackt in ihrem Schlafzimmer stand, und dann wurden sie ins St. Mary’s Hospital nach Paddington gefahren, wo ihnen ein leeres Eckzimmer zugewiesen wurde, in dem angeblich schon Lady Diana ihre beiden Kinder zur Welt gebracht hatte. Die Wehentätigkeit ging rasch voran. Elizabeth wollte es ohne Medikamente versuchen, und entschlossen wie sie war, schaffte sie es auch, wenngleich die Anstrengungen der Kindsgeburt sie außerordentlich unleidlich machten. Zwischen den Wehen sollte er ihr den Rücken massieren, doch sobald sie wieder einsetzten, durfte er sie nicht mehr berühren und musste aus ihrem Blickfeld verschwinden. Irgendwann raunzte sie eine Hebamme namens Eileen an: »Ihr Parfüm macht mich krank, ich kann es nicht ausstehen!« Selbstverständlich und ohne zu murren ging Eileen sich waschen und umziehen.
Er sah auf die Uhr und dachte plötzlich: Er wird um Mitternacht geboren . Doch dann kam er doch acht Minuten früher. Um acht Minuten vor Mitternacht wurde Milan Luca West Rushdie geboren, 3430 Gramm schwer, mit riesigen Füßen und Händen und einem stattlichen Haarschopf. Die Geburt hatte insgesamt nur fünfeinhalb Stunden gedauert. Dieser Junge hatte es eilig gehabt, auf die Welt zu kommen, und hier war er, lag glitschig auf dem Bauch seiner Mutter, die graue Nabelschnur wand sich schlaff um seinen Hals und seine Schultern. Sein Vater zog sich das Hemd aus und drückte ihn sanft an seine Brust.
Willkommen, Milan , sagte er zu seinem Sohn. Hier ist die Welt mit all ihren Freuden und Schrecken und erwartet dich. Werde glücklich darin. Habe Glück. Du bist unsere neue Liebe.
Elizabeth rief Carol an und er Zafar. Am nächsten Tag, seinem ersten Lebenstag, bekam Milan Besuch von seinem Bruder und seinen ›Extraonkeln‹ Alan Yentob (der seinen BBC -Dienstplan über den Haufen geschmissen hatte, um ins Krankenhaus zu kommen) und Martin Amis, der Isabel, ihre gemeinsame Tochter Fernanda und seinen Sohn Jacob mitbrachte. Es war ein sonniger Tag.
Auch die Beamten vom Special Branch waren aufgeregt. »Das ist unser erstes Baby«, sagten sie. Bislang hatte noch niemand unter ihrem Schutz ein Kind bekommen. Das war Milans erstes ›erste Mal‹: Er war das ›A‹-Kommando-Baby.
*
Er hatte Bill Buford bei der Zusammenstellung einer besonderen ›Indien-Ausgabe‹ des New
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